Bildbericht von René Senenko, 5. März 2007
Streitgespräch im Afrikahaus
- kritische Fragen zur Dauerausstellung
Ohne Zweifel. Franz
Irlich, der Direktor der beiden Sebnitzer Museen (Afrikahaus und Heimatmuseum)
ist ein sympathischer Mann. Und sein Afrikahaus ist ein stimmungsvolles Gemäuer,
ein Kleinod, das in seiner ganzen Eigenart andere sächsische Gemeinden nicht
vorzuweisen haben. Wer hätte einst geglaubt, dass jemand auf die Idee käme,
ausgerechnet in der Grenz- und Kunstblumenstadt Mühe und Zeit zu investieren,
um eine völkerkundliche Einrichtung über den "schwarzen Kontinent"
zu etablieren? Das war schon mutig.
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Doch seit der Eröffnung des Afrikahauses in einem schönen Sebnitzer
Umgebindehaus der Hertigswalder Straße im September 2001 enthält die
Dauerausstellung auch Elemente, die die Gruppe Grenzlos äußerst kritisch sieht.
Dort gibt es einseitige Darstellungen, die sowohl in deutschen Lehrbüchern als
auch überhaupt im herrschenden Geschichtsbild der Bundesrepublik als längst überwunden
gelten. In zahlreichen westdeutschen Gemeinden gibt es zwar noch immer Straßen und Plätze, die nach "Streiter für die deutschen Kolonien" Dr. Carl Peters benannt sind. Doch seit vielen Jahren bemühen sich hin und wieder örtliche Initiativen um Umbenennungen. In Hannover bekam der Carl-Peters-Platz im Jahr 1994 einen neuen Namen. Im Sebnitzer Afrikahaus jedoch ersteht der "Hänge-Peters", wie er in der Literatur bezeichnenderweise genannt wird, in heldischer Pose und fahneschwenkend wieder auf. |
Betritt der Besucher den ersten Raum des Hauses,
so posiert Carl Peters als Feldherr in einem Zinnfiguren-Diorama. Doch erfährt
er nichts über die Hintergründe der dargestellten Schlacht, nichts über das
Leben des aus Lüneburg stammenden Kolonialisten, der für seine perfiden
Landraubmethoden selbst vom deutschen Kaiser getadelt und vom Reichstag
gemaßregelt worden war. Wie soll man sich ein unvoreingenommenes Bild
von Peters machen, wenn jegliche Informationen vorenthalten werden, ja wenn
Peters als Held in einer offenen Feldschlacht, was er nie gewesen ist,
dargestellt wird?
Wendet sich der Besucher am Diorama um, fällt sein Blick auf eine Chronik des schwarzen Kontinents.
Sie ist auch im Begleitheft des Hauses veröffentlicht. Es ist eine Chronik der
europäischen Geschichte in Afrika, die Geschichte der Afrikaner kommt darin
nicht vor! War Afrika vor der Ankunft der Weißen menschenleer? fragen wir Herrn
Irlich. Auch Carl Peters wird in dieser Zeittafel genannt, bezeichnenderweise als "Entdecker des Sambesibeckens". Nichts
weiter. Herr Irlich auf diese Verklärung des deutsches Kolonialismus
angesprochen, windet sich. Wenn er Schulklassen durch das Haus führe,
informiere er sie natürlich, wie es wirklich war, so seine wenig überzeugende
Erklärung.
An mehreren Stellen der Ausstellung macht Herr Irlich anschaulich klar, dass es
ihm bei seinen Führungen durch die Ausstellung vor allem darum gehe,
hierzulande vorherrschende Klischees über Afrika in Frage zu stellen. Seine
Beispiele überzeugen uns. Wenn die Ausräumung von Klischees tatsächlich sein
Anliegen ist, warum - so fragen wir - vermittelt die Ausstellung dann bei der
Geschichte des Kolonialismus in Afrika eine so schwammige, uneindeutige
Position. Da ist in den Texten des ersten Raumes vom "schwierigen"
Verhältnis zwischen Europa und Afrika die Rede. Wer hatte, so darf man fragen,
Schwierigkeiten mit wem? Haben die Afrikaner Europa ausgeplündert, die
Europäer in die Sklaverei geschickt, ihre Kulturen vernichtet und mittels
Monokulturen die Bevölkerung abhängig gemacht? Halten die Afrikaner Europa bis
heute ökonomisch an der kurzen Leide?
Warum erfahren wir nirgendwo im Haus, welche Rolle das deutsche Kaiserreich bei
der blutigen Eroberung und Ausplünderung Afrikas gespielt hat? Warum erfahren
wir nicht, welche Rolle Dr. Carl Peters beim großangelegten Landraub an den
afrikanischen Stämmen gespielt hat?
Warum, so fragen wir weiter, sind die Nuba-Fotos der Vorzeige-Filmemacherin
Hitlers, Leni Riefenstahl, und ein Video über sie, zum Bestandteil der
Dauerausstellung im Haus geworden? Ist das vielleicht der Sympathie für Leni
Riefenstahl geschuldet? Man könnte darüber diskutieren, ob die bekannten
Nuba-Fotos der Riefenstahl in einer Sonderausstellung gezeigt werden sollen, in
der Dauerausstellung eines Afrikahauses jedoch haben diese Bilder nichts zu
suchen, so meinen wir.
Dokumentation
Im Anschluss an unseren Aufenthalt im Afrikahaus hat der Verfasser des obigen
Berichts seine bereits kurz nach Eröffnung des Hauses im Jahr 2001 verfasste
Kritik, die seitdem im Internet zugänglich war, Herrn Irlich übermittelt. Hier
der Wortlaut.
"Geschaffen wurde das Afrikahaus auf Initiative des Ehepaars
Ortrud und Eckard Nold - als Museum, Bibliothek und Begegnungsstätte. Das
stimmungsvoll entworfene Innere des Umgebindehauses kann sich sehen lassen. Es
präsentiert in seinen Räumen Exponate und Fotos von vier westdeutschen
Sammlern und Leihgebern.
Das Haus wolle an persönliche Begegnungen in
Afrika erinnern und werde nur Anregungen geben, heißt es auf den Tafeln. Und so
findet sich im Raum über die Kolonialzeit leider auch kein Wort über die Rolle
der Deutschen in den Kolonialkriegen und kein Wort über die Langzeitwirkungen
des Kolonialismus: Über die Bürgerkriege und die ungehemmten Ausplünderung
Afrikas durch internationale Konzerne heute.
Stattdessen wird auf den Tafeln und in den
Publikationen des Hauses oft all zu schwammig von den "schwierigen"
und "vielschichtigen" Beziehungen Europas zu Afrika gesprochen. Doch
so neutral, wie sich die Ausstellung gibt, ist sie nicht.
Während in Hannover 1994 der Carl-Peters-Platz umbenannt worden ist, steigt
hier in Sebnitz der brutale Kolonialist Dr. Carl Peters wieder aus der Gruft -
als Zinnfigur in einem Diorama. Er versteckt sich keineswegs in irgendeinem
Winkel des Hauses, sondern beherrscht in einer verklärenden Heldenpose gleich
die Mitte des ersten Raumes. Dass er wegen seiner Menschenschinderei zu Recht
als "Hänge-Peters" in die unrühmliche Geschichte der deutschen
Kolonien eingegangen ist, dass der von ihm praktizierte (mit
"Vertragsabschlüssen" getarnte) Landraub selbst der Reichsregierung
zu weit ging, hierüber erfährt der Besucher nichts. Auch nicht über Peters'
Grundsatz: die "rücksichtslose und entschlossene Bereicherung des eigenen
Volkes auf anderer, schwächerer Völker Unkosten". Im Gegenteil. In der
vom Museum angebotenen "Zeittafel" avanciert der Rassist und Antisemit
Peters noch zum Erforscher des Sambesi-Beckens. Überhaupt offenbart diese
Zeittafel ganz den Blick der Kolonialgeschichtsschreiber. Schwarze kommen darin
nicht vor, auch Kriege und Schlachten nicht, dafür um so mehr Missionare, weiße
Entdecker, eine Handvoll Annexionen und Staatengründungen sowie jede Menge
Vertragsabschlüsse. Konservative Geschichtsschreibung pur. Nach der Lektüre
dieser Chronologie wird man den Verdacht nicht los, Schwarzafrika müsse vor der
Ankunft der Weißen menschenleer gewesen sein.
Und dass die umstrittenen Nuba-Fotos von Leni Riefenstahl einen Platz in der ständigen
Ausstellung gefunden haben, muss wohl eher der Begeisterung für
die Riefenstahlschen Bilder als ihrer kritischen Aneignung geschuldet sein.
Sehenswert sind auf jeden Fall die eindrucksvoll installierten Ethnografika, die
Reproduktionen von Felszeichnungen und der original nachgebaute namibische
Himba-Kral. Unstreitig atmet das Haus die Liebe zum Schwarzen Kontinent, wenn
auch die Motive dieser Zuneigung oft im Zwielicht bleiben. Das künftige
Veranstaltungsprogramm und die Sonderausstellungen werden zeigen, ob das
Afrikahaus dem selbstgestellten Anspruch, "eindeutig Stellung" zu
beziehen, gerecht wird. Gute Ansätze, wie die Kinderseite "Wer hat Angst
vor'm Schwarzen Mann?" im Museumsprospekt, sind vorhanden. Überhaupt hat
man bei der Einrichtung des Hauses auch an die Jüngsten gedacht. Das
Dachgeschoss und ein Spielplatz neben dem Haus gehört ganz ihnen. Auch wenn man
nicht mit allem konform gehen kann, was im Afrikahaus vermittelt wird, der Mut,
in Sebnitz ausgerechnet eine Stätte über den Schwarzen Erdteil einzurichten,
verdient Respekt." - René Senenko, November 2001