Bericht von Karl Tschoche (28.4.2005)
„Der 8. Mai 1945 – gegen die Umbewertung von Geschichte“

Gesprächsrunde zum 8. Mai in der Stadtbibliothek Sebnitz

Mitte: Hannes Schulz 
von der VVN-BdA Sachsen, 
rechts: Herbert Bergmann vom 
Freundeskreis des Sebnitzer 
Heimatmuseums.
Foto Näser
So lautete das Motto der von PDS und Antifa-Gruppe „Spurensucher“ am 27. April organisierten Diskussion in der Sebnitzer Stadtbibliothek. Unter den mehr als 30 Teilnehmern kam es zu einem überaus regen Gedankenaustausch. Zuvor hatten jedoch Hugo Jensch, Pirna, Mitautor des Buches „Heimat unterm Hakenkreuz“, und der Dresdner Journalist Hannes Schulz in das Thema eingeführt. Hugo Jensch, der die Nazizeit in unserer Heimat umfangreich erforscht hat, verwies nicht nur auf konkrete Fakten, sondern machte vor allem immer wieder auf Zusammenhänge aufmerksam. Solche Zusammenhänge, die in der heutigen Medienpräsenz des Themas nicht auftauchen. Diese reduziert all zu oft den Faschismus auf Hitler und seine Clique und ist daneben bemüht durch die Überbetonung der deutscher Opfer, die Verantwortung des faschistischen Deutschlands für Krieg, Holocaust und andere Verbrechen zu relativieren und mehr und mehr aus dem Bewusstsein der Deutschen zu drängen. Er prangerte die Nichterwähnung der sozial-ökonomischen Wurzeln des Faschismus ebenso an, wie die Gegenüberstellung von westlichen „Befreiern“ und sowjetischen „Besatzern“. Gegenüber Letzteren werde die Hauptlast bei der Zerschlagung des Faschismus geleugnet. Hannes Schulze schließlich erläuterte, wie der Bund der Antifaschisten mit anderen für eine neue Gedenkstätten-Konzeption kämpft, die nicht der „Totalitarismus-Theorie“ folgt und „Menschheitsverbrechen“ aus der Nazizeit mit Menschenrechtsverletzungen aus DDR-Zeiten auf eine Stufe stellt. 

Seine Frage an die Anwesenden: Wie konnte es kommen, dass eine übergroße Mehrheit der Deutschen dieses verbrecherische System toleriert, unterstützt und aktiv mit geformt hat? Letztlich waren sich alle einig, dass es auf diese komplizierten Fragen keine einfachen Antworten geben kann. Und der Zeigefinger wurde auch, aber nicht nur auf die alte BRD gerichtet, der viele Versäumnisse bei der Überwindung des Faschismus in Wirtschaft und Politik und bei der Bestrafung der Täter anzulasten sind. Auch die Führung der SED und die der späteren DDR hat gravierende Fehler gemacht. Zu schnell wurde z.B. das geistige Erbe aus der Nazizeit als überwunden angesehen, gab es Tabus und einseitige Betrachtungsweisen, die letztlich nicht halfen, faschistisches Gedankengut zu überwinden.

Schließlich richtete sich der Blick auf die Aufgaben der Gegenwart, u.a. auf die heutige Auseinandersetzung mit der Naziideologie, ihren modernen Parteiformen und ihrer Wählerschaft.

Zum Schluss waren sich die Anwesenden einig, dass zunächst nur die unmittelbaren Opfer der Naziherrschaft den 8. Mai 1945 als „Tag der Befreiung“ empfunden haben. Als Befreiung von Todesangst, Unterdrückung und Krieg. Nach wie vor gibt es aber Unbelehrbare, wie Brecht in seiner „Mutter Courage“ zeigte, ja selbst auch unter den ausgebeuteten und unterdrückten Opfern. Optimistisch für vergangenen und künftigen Antifaschismus stimmen allerdings die Ergebnisse von Meinungsumfragen, nach denen inzwischen über 80 % der Deutschen den Sieg der Antihitlerkoalition als Befreiung ansehen.