30. Dezember 2007
Jiří
Franěk
85jährig verstorben
Am 30. Dezember 2007 erlag unser
Freund Prof. Jiří Franěk einem Krebsleiden.
Jiří Franěk wurde am 24. November 1922 in der Tschechoslowakei
geboren. Als Jude wurde er nach der Besetzung der
Tschechoslowakei durch die Nazis nach Theresienstadt verschleppt und beteiligte
sich dort, ebenso wie später in Auschwitz, am kommunistischen Widerstand in den
Lagern.
Überlebt hat er die Hölle von Auschwitz nur, weil er zu den eintausend
tschechoslowakischen Juden gehörte, die nach Schwarzheide (bei Dresden)
geschickt wurden, um dort das von alliierten Bomben zerstörte Synthesewerk
wieder aufzubauen. Dieses Werk produzierte das kriegswichtige synthetische
Benzin. Am 3. Juli 1944 kamen die Häftlinge in Schwarzheide an. Weil Franěk
bei einem erneuten Luftangriff der Alliierten auf das Werk schwer verletzt
wurde, entging er in den Apriltagen 1945 dem Todesmarsch nach Theresienstadt.
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Stattdessen wurde Jiří Franěk
zusammen
mit anderen kranken und gehunfähigen Häftlingen in zwei Bussen nach
Sachsenhausen gefahren. Dort sollten sie sofort vergast werden. Die Häftlinge
ahnten von ihrer Bestimmung nichts. Jirí Franěk später: "Als ein
SS-Mann kam und uns zu verstehen gab, »es gibt kein Gas mehr, Ihr könnt
gehen«,
sind wir gegangen. Wir fanden keinen Platz im Lager, um wenigstens schlafen zu können,
haben nichts zu Essen bekommen und selbstverständlich auch keine ärztliche
Versorgung. Gott sei Dank dauerte es nicht mehr lange, denn 'die Russen' näherten
sich Sachsenhausen sehr schnell. Wieder wurde ein Todesmarsch vorbereitet. Ich
konnte wegen meiner Verletzung nicht auf Transport gehen. Die Verbliebenen
sollten erschossen werden. Doch auf einmal waren die Russen schon ganz in der Nähe
und die SS innerhalb weniger Minuten verschwunden. So bin ich zum zweiten Mal
dem Tod ausgewichen" (Email J. Franěk an Heide Kramer, Hannover,
Januar 2007). Nach dem Krieg studierte Jiří Franěk und wurde Literaturwissenschaftler, Russist und Historiker. Ab 1968 wirkte er vier Jahre lang an den Universitäten Bochum, Göttingen und Tübingen als Lektor, Gastdozent und Gastprofessor und kehrte dann in seine Heimat zurück. |
Mitte der 70er Jahre bekamen die Sebnitzer "Spurensucher" infolge
ihrer Nachforschungen zum Todesmarsch Kontakt zu den ehemaligen
Schwarzheide-Häftlingen, die zumeist in der ČSSR
lebten. Seit damals riss die Verbindung zu Professor Jiří
Franěk und seinen überlebenden Kameraden nicht mehr ab. Und
dieser Kontakt wurde rege gepflegt, wie zahlreiche Briefe von Prof. Franěk
im Archiv der Gruppe Grenzlos belegen. Auch war Jiří Franěk hin und
wieder Gast bei Gedenkveranstaltungen in der DDR und später in den neuen
Bundesländern.
Jiří Franěk hat unsere Recherchen bis
zuletzt unterstützt, sei es bei den Nachforschungen zum Exilverlag Malik in
Prag, sei es bei biografischen Recherchen zur Prager Malerin Hella Guth
(im Februar 2008 wird in Prag eine Ausstellung über sie eröffnet!), sei es bei
der Aufklärung der historischen Hintergründe um Boris Sludzkis Gedicht
"Kölnische Grube". Den letztgenannten Fall hat unsere Hannoveraner Freundin
Heide Kramer aufgenommen und durch akribische Recherchen im Jahr 2007 endlich
aufgeklärt. Ihre Resultate, die sich auf Jiří
Franěks Vorarbeit stützen, sind soeben im jüngsten "Rundbrief
AG Antifaschismus" veröffentlicht worden (1).
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Jiří Franěk hielt im Jüdischen Kulturzentrum Prags hin und wieder
Vorträge über jüdische Persönlichkeiten und publizierte über sie. Ein
gläubiger Jude jedoch war er selbst nicht. Über sein wissenschaftliches
Schaffen berichtete er nur selten. Aber hin und wieder erwähnte er in Briefen
seine Vorhaben. So hat er bis 2004 bei Atheneum in Prag Masaryks Schriften
herausgebracht. Ein Verzeichnis seiner zahlreichen Veröffentlichungen findet
sich unter http://www.slaviste.cz/index.php?page=detail&id=260-franek-jiri-prof-phdr-csc Text und Gestaltung: René Senenko
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1 Kramer, Heide: Boris Sludzki, "Die Kölnische Grube". Spurensuche - ein unbekanntes Kriegsgefangenen-/ Zwangsarbeiterlager. in: Rundbrief 3+4/07 der AG Rechtsextremismus/ Antifaschismus beim BV Die Linke (Berlin, Dezember 2007), S. 32-36, Kopien dieses Artikels sind bei der GG erhältlich; auch ist der Wortlaut komplett bei der Webplattform "Kein Bock auf Nazis" sowie bei Hagalil nachlesbar.