Info Antifa & Geschichte
Mitteilungsblatt der
internationalen Gruppe „Spurensucher“
Ausgabe 2005
Online-Fassung vom 13. März 2006
Anmerkung: Print- und Online-Version sind nicht identisch. Redaktionsschluss für die Printausgabe war am 5. April 2005. Der Aktualität im Internet verpflichtet,
wird die online-Ausgabe stets ergänzt und aktualisiert.
Die
Redaktion ist für aktuelle Termine, Literaturhinweise, Beiträge und Hinweise
dankbar und wird sie - sofern geeignet - hier unter den Meldungen veröffentlichen.
Inhalt
Kontakt
& Impressum
Zum Tod von Heinz Senenko:
Honza ist tot!
Milan Bilý: Něco o Honzovi – Etwas über Honza
in memoriam: Dr.
Heinz Senenko
Gruppenleben & Veranstaltungen:
Wie weiter mit den Spurensuchern?
VVN-Landeskonferenz in Dresden
60. Jahrestag der Befreiung: Ehemalige Häftlinge
des Todesmarsches zu Gast – Begegnung an denkwürdigen
Orten in der Region Sebnitz - Veranstaltungen in Schwarzheide - Veranstaltungen
in Kamenz - Weitere Aktivitäten in Sebnitz & Umgebung
Vereinsgeschichte:
Geschichte der Spurensucher
Bibliografische Übersicht über die Publikationen der AG Junge Historiker
Literatur - Kritiken - Tipps - Termine:
Neue Literatur zum Thema Verfolgung & Widerstand in
der sächsisch-böhmischen Grenzregion
Lektüre für Spurensucher
Replik: Dereinst nur blühende Landschaften
Chomenko, Nikolaj: Brief an die UN-Redaktion
Deutsch-Tschechische
Nachrichten
KRUH
Gedenken in Pístov
Riesengebirgstreffen
Freundeskreis des Kunstblumen- und Heimatmuseums
Sebnitz
Herbert Böhme 75
Zeitgeschichte:
Aus dem Fotoarchiv: Vor 60 Jahren
- Tschechischer
Maiaufstand
Kurzgeschichte:
Borgen bringt Sorgen. Eine Kurzgeschichte von Paul Bauer
Sonstige
Nachrichten:
3.+ 4.6.05: 100 Jahre Klettern am Großen Halben
11.6.05:
Vortrag von Joachim Schindler über die Roten Bergsteiger
24. Januar 2005 erlag im Sebnitzer Krankenhaus der Vorsitzende der internationalen Gruppe „Spurensucher“, Dr. Heinz Senenko, im Alter von 72 Jahren einem Krebsleiden. Am 11. Februar fanden sich viele tschechische und deutsche „Spurensucher“, Freunde und Wegbegleiter sowie drei seiner Söhne in der Aufbahrungshalle Sebnitz und danach auf dem Sebnitzer Urnenhain „Am Plader“ ein. Insgesamt 45 Freunde waren aus Sachsen, aus der tschechischen Nachbarschaft von Sebnitz, aber auch aus Prag, München, Darmstadt und Hamburg angereist, um bei widrigem Winterwetter Honza auf seinem letzten Weg zu begleiten. Dr. Siegfried Schaffrath aus Sebnitz hielt eine beeindruckende Trauerrede.
Beim
anschließenden Beisammensein in der Ausflugsgaststätte
„Finkenbaude“ ergriffen Hanuš Gaertner vom Verein der Überlebenden
des KZ Schwarzheide aus Prag, Frido Seydewitz und Johannes Schulz,
beide vom Landesvorstand der VVN-BdA Sachsen, sowie Dieter Rostowski
vom Geschichtsverein Kamenz das Wort, Freunde des
Deutsch-Tschechischen Filmklubs Sebnitz-Dolní Poustevna
(in Gründung) ließen mit einer Video- und Bildershow noch einmal
einzelne Episoden aus dem Leben des Verstorbenen lebendig werden und
der Dresdner Singeklub „Ernesto Che Guevara“ gab mit seinen
politischen Liedern vielen Gästen auch etwas Kraft und Optimismus zurück. Glücklicherweise hatten sich auch jene Freunde eingefunden, die an den (von Heinz mit vorbereiteten) Feierlichkeiten zum 60. Jahrestag der Befreiung in Sebnitz, Schwarzheide, Kamenz und Saupsdorf ummittelbar beteiligt sind. Sie berieten an Ort und Stelle die nächsten konkreten Schritte zur Vorbereitung dieser beiden Veranstaltungstage. Ein kleines Arbeitstreffen ganz im Sinne der Initiative des Toten! |
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Kontakt
Koordinator für die Spurensucher bis zur Neuwahl am 11./12. Juni 2005 ist René
Senenko, erreichbar unter 040-5276452 (AB), eMail, Postanschrift:
Senenko, PF 166, 22401 Hamburg. Ansprechpartner für die
tschechischen Mitglieder und Freunde ist der stellvertretende
Vereinsvorsitzende Milan Bilý, E. Beneše 75, CZ-40777 Šluknov, Česká
Republika, 00420-732 853 829.
Die
Gruppe „Spurensucher“ ist dem Landesverband der VVN-BdA Sachsen e.V. angeschlossen.
Konto der Spurensucher: 10000 92751
BLZ 85550000, Sparkasse Bautzen
Kontoinhaber: VVN Sachsen Spurensucher.
Internationale Überweisungen:
IBAN: DE31 8555 0000 1000 0927 51
BIC: SOLADES1BAT
Impressum
Verantw. Redakteur für diese Ausgabe: René Senenko. Anschrift siehe
„Kontakt“. Redaktionsschluss: 5. April 2005
Auflage der Printausgabe: 200
Die Printausgabe ist über die Postfach-Anschrift laut "Kontakt"
beziehbar.
Ob das „Info“ weiterhin erscheint, wird zur Mitgliederversammlung am
11./12. Juni beraten.
Něco
o Honzovi
Milan Bilý (28)
Já jsem se setkal s Honzou
v roce 1994 v Rumburku. Stopoval jsem na cestě domů do Šluknova.
Začali jsme se spolu bavit jelikož jsem uměl trochu německy ze
školy. Zeptal jsem se ho jestli jede do Šluknova a on odpověděl že
jede do Moskvy tak mě to zarazilo, ale potom jsem zjistil po čase že
je to jeho osobitý humor. Na příklad
když jme spolu byli nakupovat ve
městě Pirna a on u pokladny řekl česky “já nemám peníze”,
prodavačka na něj koukala co po ní chce.
Nebo když jsme přijely
někam na návštěvu tak představil jako svého syna s tím
že umím trochu česky. Honza
mě vždy dokázal rozesmát svou češtinou např. Kominík byl
u Honzy „čornoje muž“ nebo zloděj byl „cab
carab muž“. U nás v obchodech ho každý znal, kdy koly se objevil
tak ho oslovovali Honzo jak se máš. Na Honzovy jsem měl rád to jeho „óóó
jak se máš, moj kluky“. Moje žena Jana a můj syn Pavel ho milovali
jako člena rodiny, sdílel s námi radosti i starosti. Chybí nám to jeho zatroubení před domem, a to jeho “Milan,
Jana, pocem, my dělame kávu a bábovku na Salmov”. Honza bude v naších
srdcích žít stále. Mrzí mě že můj druhý syn Matěj
nepoznal tak ůžasného člověka jako byl Honza Senenko. Honza byl prostě náš Honza.
Etwas
über Honza
Milan Bilý
Zum ersten Mal bin ich Honza im Jahr 1994 in Rumburk
begegnet. Ich stand an der Straße in Richtung Šluknov und wollte per
Anhalter nach Hause fahren. Er nahm mich mit. Da ich schon ein wenig Deutsch
aus der Schule beherrschte, konnten wir uns gleich unterhalten. Ich fragte
ihn, ob er nach Šluknov wolle, worauf er entgegnete, er sei eben nach Moskau
unterwegs. Das hat mich natürlich stutzig gemacht, habe später aber gemerkt,
dass das sein ganz persönlicher Humor ist. Als wir dann einmal in Pirna
zusammen einkaufen waren, hat er an der Kasse zu der Verkäuferin gesagt
„Ich habe kein Geld“, aber nicht etwa auf deutsch, sondern auf
tschechisch: “Já nemám peníze”. Die Arme hat sich vielleicht gefragt,
was er da von ihr will. Oder wenn wir wieder einmal jemanden besucht haben,
hat er mich als seinen Sohn vorgestellt und dabei beiläufig erwähnt, dass
ich auch etwas Tschechisch spreche...
Das für ihn typische Tschechisch zauberte immer ein
Lächeln auf mein Gesicht. Zum Beispiel hieß der Schornsteinfeger statt
„kominik“ bei ihm „čornoje muž“ (der „schwarze Mann“), der
Dieb hingegen war der „zappzarapp muž“... Bei uns in den Geschäften war
Honza allen bekannt. Alle haben ihn immer gleich angesprochen – „Na,
Honza, wie geht es dir?“ Ich mochte auch sehr seinen Ausruf „OOOOh, jak se
máš, moj kluky?“ – „Oh, wie geht es dir, meine Jungs?“
Meine Frau Jana und mein Sohn Pavel haben ihn wie jemanden geliebt, der zur
Familie gehört. Er hat unsere Freuden und Sorgen mit uns geteilt.
Es fehlt uns jetzt das Hupen seines Autos vor unserem
Haus und sein Ruf “Milan, Jana, pocem, my dělame kávu a bábovku na
Salmov“ – „Milan, Jana, kommt her, wir machen einen Kaffee und einen
Kuchen in Salmov“.
Honza wird in unseren Herzen weiter leben. Schade,
dass mein zweiter Sohn Matej nicht mehr einen so wunderbaren Menschen
kennenlernen konnte, wie es Honza Senenko war. Honza war einfach „unser
Honza“.
Der
Verfasser (28 Jahre, Foto) ist stellv. Vorsitzender der „Spurensucher“
Foto: R. Senenko
Wie weiter mit
den Spurensuchern?
Was viele im
Voraus ahnten oder gar wussten, ist nun mit dem Tod von Heinz Senenko
eingetreten: Sein Ableben hinterlässt eine Lücke; ein Nachfolger ist nicht
in Sicht. Verloren ging der Kopf unseres Vereins, der die Verbindung zu allen
Mitgliedern und Freunden hielt und für alles, was in der Gruppe passierte,
die Verantwortung trug. Wir, Milan Bilý (Šluknov), Rainer Böhme (Sebnitz/
Dolní Poustevna), Lars Schubert (Chemnitz) und René Senenko (Hamburg) haben
in den Wochen nach Heinz’ Tod versucht, den Wagen am Laufen zu halten. Wir
haben alles Nötige getan, um die von Heinz mit vorbereiteten Veranstaltungen
zum 60. Jahrestag der Befreiung vom Faschismus Mitte April absichern zu helfen
und die Verbindung zu den Mitgliedern und zum VVN-Landesverband zu halten.
Doch erst unsere Mitgliederversammlung im Juni kann klären, wie auch die
weitere Vereinsarbeit fortgeführt werden kann.
Mitgliederversammlung
Alle Mitglieder und Freunde, die an einer weiteren Mitarbeit und
Mitgliedschaft bei den Spurensuchern oder auch nur an einer Zusammenarbeit mit
uns Interesse haben, treffen sich zur Mitgliederversammlung der
Spurensucher am Wochenende 11. und 12. Juni 2005 im Sommerhaus von
Heinz Senenko in Salmov oder, falls das Sommerhaus nicht mehr zur Verfügung
steht, in einem Ferienhaus nahe des unteren Bahnhofs in Mikulášovice.
Anreise bis 14 Uhr. Übernachtung & Verpflegung sind gesichert; bitte
Schlafsack und Getränke mitbringen. Auf der Tagesordnung stehen am Samstag ab
14 Uhr die Neuwahl des Vorstands und die Beratung über die weitere Arbeit der
Gruppe. Abends grillen wir. Da der Versammlungsort noch nicht klar ist,
erkundigt euch einige Tage vor dem Treffen bei einer der folgenden Kontakte:
René: Handy 0160-815 7921, Rainer 035971-53066, Milan 00420-732 853 829 oder
Nikolaj 00420-412 394 613. Eine extra Einladung für die Mitgliederversammlung
wird nicht mehr verschickt.
Ein
Wort zur Neuwahl des Vorstands: Eine Briefwahl für Mitglieder, die nicht
anwesend sein können, ist wegen der bei Redaktionsschluss noch offenen
Kandidatenliste dieses Mal nicht möglich. Der Vorstand wird deshalb zur
Mitgliederversammlung vorschlagen, dass die Wahl durch die anwesenden
Mitglieder erfolgt. Solltet Ihr nicht zur Wahl kommen können, aber bereit
sein, im Vorstand mitzuarbeiten, meldet euch nach Erhalt dieses „Info“ bei
René, Tel. 040-5276452.
VVN-Landeskonferenz
Zur
Landeskonferenz der VVN-BdA Sachsen, die am Dienstag, 26. April, im
Gewerkschaftshaus in Dresden stattfindet, werden wir Spurensucher durch
Nikolaj Chomenko (Salmov) und Herbert Schäfer (Saupsdorf) vertreten sein.
Todesmärsche
vor 60 Jahren – 60. Jahrestag der Befreiung
Ehemalige Häftlinge des Todesmarsches zu Gast – Begegnung an denkwürdigen
Orten
Die
Spurensucher haben gemeinsam mit Partnern aus Schwarzheide und Kamenz die
Rundfahrt ehemaliger Häftlinge des Todesmarsches von Schwarzheide nach
Theresienstadt zu historischen Stätten vorbereitet. Am 18. und 19. April 2005
werden die Gäste aus Prag erwartet. Dabei sind Begegnungen mit
Kommunalpolitikern ebenso geplant wie Gespräche mit Schülern. Hier der
Zeitplan dieser zwei Tage (Stand Ende März):
8:00 - Prag: Abfahrt des Sonderbusses mit der tschechischen Delegation ehemaliger Häftlinge
11:00 - Ankunft in Schmilka, Bernd Schaller begleitet im Auftrag der Spurensucher über beide Tage die Gästegruppe
11:30
- Empfang durch den Sebnitzer Oberbürgermeister Mike Ruckh im Hotel
„Sebnitzer Hof“
12:00 - Teilnahme von Seiten der Spurensucher: Bernd Schaller, Milan Bilý, Nikolaj Chomenko, Herbert Schäfer, Lars Schubert, Volker Heymann, René Senenko und Rainer Böhme. Danach Mittagessen
13:30 -
Besuch der Grabstätte von Heinz Senenko auf dem Sebnitzer
Urnenfriedhof
14:00 -
Weiterfahrt nach Schwarzheide
Veranstaltungen in Schwarzheide
Montag
18.4.05
16:30 - Eintreffen der tschechischen Gäste in Schwarzheide. Empfang in der Galerie des Kulturhauses durch
Wilhelm Hummerjohann, Geschäftsführer der BASF Schwarzheide GmbH, und Arne Petersen,
Leiter Öffentlichkeitsarbeit
16:45
- Kaffeepause auf Einladung der BASF
17:00
- Ehrung der Opfer auf dem Gedenkplatz mit Öffentlichkeit; Ansprachen: Landrat Holger Bartsch, Bürgermeister
der Stadt Schwarzheide Bernd Hübner, Vertreter der tschechischen Delegation,
Hanuš Gaertner
18:00
- Fahrt zu den Gedenktafeln am
Tor 4 (nahe Einmannbunker), Ehrung der Opfer
19:00 - gemeinsames Abendessen im Casino auf Einladung der BASF
21:00
- Fahrt zu „Hotel und Gaststätte Lauchhammer“, Übernachtung mit Frühstück
auf Einladung der BASF
Veranstaltungen
in Kamenz
Programm
Dienstag 19.4.05
10:00
- Eintreffen der tschechischen Delegation aus Schwarzheide in Kamenz.
Erinnerung und Ehrung an der Gedenktafel Hoyerswerdaer Straße. Niederlegen
von Blumen. Ansprachen des Kamenzer Bürgermeisters Roland Dantz und des tschechischen
Delegationsleiters
Dr. Hanuš Gaertner.
11:00 - Veranstaltung
im Kamenzer Rathaus zum Abschluss des Projektes „Spurensuche 1945“. Der Bürgermeister
begrüßt die Gäste und die Schuldelegationen, die am Projekt „Spurensuche
1945“ zu folgenden Themen beteiligt waren:
-
Konzentrationslager
und Todesmärsche von Häftlingskolonnen am Kriegsende 1945
-
Das Martyrium von KZ-Häftlingen unter SS-Schikanen
- Die Kriegsereignisse 1945 im Kreis Kamenz
-
Übergabe der im Projekt angefertigten Schautafeln
und Unterlagen an den Kamenzer Geschichtsverein. Ggf. Ansprache eines ehemaligen KZ-Häftlings (Pavel
Stránský).
12:00
- Mittagessen auf Einladung des Bürgermeisters
ca.
13:30 - Abfahrt nach
Saupsdorf
Kamerad Pavel Stránský führt vom 20. bis 25. April an den Schulen des
Kreises Kamenz Vorträge durch. Kontakt Kamenz: Dr. Dieter Rostowski, Körnerstraße
2, 01917 Kamenz, Tel. 03578-312260, www.rostowski.de; di-ros@web.de
Empfang in Saupsdorf
Dienstag 19.4.05
15:00 - Ankunft in Saupsdorf, Empfang durch Spurensucher und ggf. durch Bürgermeister, Niederlegen von Blumen an der
Gedenkstätte
16:00
- Rückfahrt der Gäste nach Prag
Weitere
Aktivitäten in Sebnitz & Umgebung
zum 60. Jahrestag der Befreiung
Offene Diskussionsrunde der PDS und der „Spurensucher“ am Mittwoch, 27.
April, 19 Uhr in der Stadtbibliothek Sebnitz, zum Thema „Der 8. Mai 1945 –
gegen die Umbewertung von Geschichte“. Einführende Gedanken äußern Hugo
Jensch, Pirna (Mitautor des Buches „Heimat unterm Hakenkreuz“) und Hannes
Schulz, VVN-BdA Sachsen.
Der
PDS-Kreisvorstand ruft alle Mitglieder und Sympathisanten auf, an den
zentralen Feierlichkeiten am 29. April in Sebnitz, insbesondere an der
Wanderung auf der Teilstrecke des Todesmarsches nach Rugiswalde und an der
zentralen Kundgebung auf dem Markt Sebnitz sowie an der Feierstunde am 8. Mai
in Pirna teilzunehmen. Kontakt: 035971-53066 (Böhme)
Am Freitag, 29. April 2005 öffentliche Veranstaltungen; diese Initiativen
sind inzwischen vom Landrat und der Kirche aufgegriffen worden und zur
zentralen Veranstaltung des Landkreises erklärt worden.
14:00 -
Schüler und Bürger laufen einen „Pilgerweg der Jugend“ von
Sebnitz und Langburkersdorf nach Rugiswalde und weihen dort
15:00
- den erneuerten Gedenkstein zum Todesmarsch ein. Mit Ansprachen, Schülertexten,
Musik, Niederlegen von weißen Rosen
18:00 -
Kundgebung
auf dem Marktplatz in Sebnitz; Referat, Ansprachen von Zeitzeugen, Musik und
Aufruf
20:00 -
Gedenkgottesdienst
in der ev. Kirche; mit Predigten u.a. des evangelischen Landesbischofs von
Sachsen, Jochen Bohl
Im Sebnitzer Heimatmuseum wird eine Ausstellung vorbereitet, die drei
Schwerpunkte des Erinnerns und Gedenkens an das Kriegsende beinhaltet:
1. Todesmarsch
2. Flüchtlinge
zu Ende des Krieges
3. Vertreibungen/Aussiedlungen
nach Kriegsende
Obwohl die Ausstellung voraussichtlich erst im Mai offiziell eingeweiht wird, kann sie bereits ab den Veranstaltungstagen im April besucht werden. Die Spurensucher werden sich mit Fotos und Dokumenten am Ausstellungsteil über den Todesmarsch beteiligen.
Projekttage in Schulen zum Todesmarsch und zum Kriegsende.Verantwortlich
zeichnet hier (zusammen mit den Lehrern) Pfarrer Joachim Rasch, Kirchstr. 7,
01855 Sebnitz, Tel. 035971-80510
|
Wir
wollen an dieser Stelle aus der Publikation die Aussage des Zeitzeugen Dr.
Heinz Senenko wiedergeben, weil sie unsere Lebensskizze „in memoriam Dr.
Heinz Senenko“ in diesem „Info“ viel anschaulicher ergänzt als jede
Jahreszahl es vermag: „In der zweiten Aprilhälfte 1945 hatte uns der
Frontenlärm um Kamenz-Großröhrsdorf in die Keller vertrieben. ‚Die Russen
kommen!’ rief man erschreckt. Auf der Landstraße in Richtung Dresden
rollten tatsächlich Panzer heran. Einschläge dröhnten. Später sahen wir,
Panzergranaten hatten im Oberdorf Häuser zerstört. ’Am
Chausseehaus’, so bezeichneten wir das Fischbacher Kreuz, ’liegen die
Toten’, diese Botschaft ging wie ein Lauffeuer von Haus zu Haus. Wir machten
uns auf den Weg dorthin. Niemals werde ich den Anblick vergessen. Im Bereich
der Kreuzung lagen mehrere Tote in gestreifter Kleidung. Damals war dort
Heinemanns Sandgrube. In der Einfahrt lagen zerquetschte Körper, die
offensichtlich nach der Erschießung von Panzern überrollt worden waren. Nach
dem Kriege wurden sie auf dem Friedhof in Fischbach bestattet, wo der Seeligstädter
Bürgermeister, Martin Burkhardt, selbst KZ-Überlebender, die Trauerrede
hielt.“
Der Titel ist
zum Preis von 4 € in Niesky an folgenden Stellen zu haben: Museum,
Comenius-Buchhandlung, Buchhandlung am Zinzendorfplatz, aber auch beim Autor:
Tel. 03578-312260, di-ros@web.de. Bei Zusendung werden Kosten für
Verpackung und Porto berechnet. Dr. Rostowski wird am 6. Mai 2005 in Niesky
zur Thematik einen Vortrag halten.
Bereits in zweiter Auflage erscheint nun ein weiterer Titel Dieter Rostowskis:
„Gewissensangst – Wie ehrbare Kamenzer sich im April/Mai 1945 um das
Schicksal ihrer Stadt sorgten“ (151 S. mit 25 Abbn.; Preis 7 €; die
vergriffene Erstauflage erschien in Königsbrück 2004). Diese Publikation
weist im ersten Kapitel die Verfolgung der Andersdenkenden durch die
Faschisten zwischen 1933 und 1945 im Kreis Kamenz nach, das zweite Kapitel
befasst sich mit den Bemühungen Kamenzer Männer, die weiße Fahne zu hissen
und die Stadt kampflos der Roten Armee zu übergeben. Der Leser erfährt,
warum diese Aktion fehlschlug und welche Folgen das für die mutigen Akteure
hatte...
Erwähnt
sei noch, dass der Autor auch auf den Todesmarsch von Schwarzheide nach
Theresienstadt eingeht. Persönlichkeitsbilder verdienstvoller Kamenzer Bürger
runden das Werk ab. Beide Publikationen sind in Kamenz erhältlich bei der
SZ-Information, Am Klostertor, sowie bei der Stadtinformation, Pulsnitzer Straße;
außerdem beim Verfasser.
Heinz, am 12.5.1932 in Lauterbach bei Stolpen geboren,
besuchte bis 1946 in Fischbach, wo er mit seinen beiden Brüdern aufwuchs, die
8klassige Volksschule und ging danach beim Kfz-Schlosser Paul Angermann in die
Lehre. Seine Berufsschule in Stolpen attestierte ihm damals „eine
aufgeweckte, lebhafte Natur“. Sein Vater Kurt S., Mitbegründer der KPD in
Pirna, stellte sich als Kreispolizist dem Wiederaufbau ab 1945 in Fischbach
zur Verfügung. Später war er Hauer bei der Wismut und Facharbeiter im
Kunstseidenwerk Pirna. Seine Mutter Ida S., seit 1925 Mitglied der KPD, war
bis zur ihrer Rente Arbeiterin im Betrieb Leuchtenbau Arnsdorf. Heinz, nunmehr
Facharbeiter, verdiente seinen Lebensunterhalt zwar anderthalb Jahre als
Kfz-Schlosser, büffelte aber nebenher noch für die Abendschule. Denn das
Land suchte neue Lehrer. So besuchte er ab 1951 das Lehrerbildungsinstitut in
Bischofswerda und wurde Pionierleiter und Unterstufenlehrer an die Oberschule
Langburkersdorf. Danach übte er Funktionen in Sebnitz als Sekretär in der
FDJ-Kreisleitung und im VEB Hebezeugwerk (ABUS) aus. Dort, im Jugendverband,
lernte er die vier Jahre jüngere Christl Dittrich kennen. 1954 heirateten
sie. Aus der Ehe gingen vier Söhne hervor. 1959 nahm er ein Studium an der Pädagogischen
Hochschule in Dresden auf und bestand 1964 das Staatsexamen für Lehrer der
10-klassigen Oberschulen mit Auszeichnung und erwarb die Lehrbefähigung für
die Fächer Deutsch und Geschichte. Seine Staatsexamensarbeit hatte er zum
Thema „Kinderarbeit in der Kunstblumenindustrie von gestern“ vorgelegt. Später
notierte er über diese Zeit: „Obgleich ich anfangs Schwierigkeiten
hatte..., der Unterricht am Pädagogischen Institut eröffnete mir eine neue
Welt. Jetzt wußte ich endgültig, daß mir der Lehrerberuf eine innere Erfüllung
bringen könnte... Ich studierte mit Freude und Begeisterung in meinen
Fachdisziplinen.“ Nach dem 2jährigem Direktstudium begann er 1961 als
Oberstufenlehrer an der Oberschule Saupsdorf/ Hinterhermsdorf zu arbeiten,
deren Direktor er schließlich 1966 werden sollte. Daneben hatte er noch über
drei Jahre sein Fernstudium zu bewältigen. Sein Familienleben litt. Er sei
kein Familienmensch, bescheinigten ihm viele. Die Ehe ging in die Brüche.
Nach der Scheidung 1971 zog er zunächst nach Saupsdorf, ließ sich später
aber in Hinterhermsdorf nieder. Hinterhermsdorf wurde ihm schließlich zur
zweiten Heimat. Hier, in der alten Dorfmühle, sammelte er ab etwa 1974
Jugendliche um sich, um mit ihnen die Ortsgeschichte zu erforschen und zu
dokumentieren.
1975 wurde ihm der „Dr.paed.“ (für pädagogische
Psychologie) verliehen. 1978 rief man ihn an die Erweiterte Oberschule (EOS)
nach Sebnitz. Dort führte er zweimal eine elfte Klasse bis zum Abitur.
1983 kam Heinz dann zur Gewerkschaft Unterricht und
Erziehung, lehrte nebenbei als Dozent an der Pädagogischen Hochschule Dresden
und wirkte dort in der Forschungsgruppe Psychodiagnostik mit. Mit der Auflösung
seiner Gewerkschaft wurde er am 1.8.1990 arbeitslos und ließ sich schließlich
zum Fahrlehrer ausbilden. Nachdem er sich in all möglichen Berufen erfolglos
beworben hatte, fand der Sechzigjährige ab 1992 kurzzeitig in Dresden und
danach über volle zwei Jahre in Darmstadt eine Anstellung in seinem neuen
Beruf. In Darmstadt fand er Freunde fürs Leben. Trotz des mühseligen Daseins
eines Wochenendpendlers sprach er danach immer mit Begeisterung von seiner
Zeit in Hessen. Während seiner Abwesenheit verunglückte im 550 Km entfernten
Zuhause seine Lebensgefährtin Marianne Rudolph tödlich. Von diesem Schlag
hat er sich nie erholt. Obendrein musste er 1997, seit zwei Jahren Rentner,
das Haus seiner Lebensgefährtin verlassen. Er bezog in Sebnitz eine
Mietwohnung. Einen besseren Standort hätte er, dort in der Böhmischen Straße,
nicht wählen können, nur wenige Meter von der sächsisch-böhmischen Grenze
entfernt. Seine Adresse wurde zum Programm. Von hier aus startete er alle
seine Unternehmungen auf sächsischer oder tschechischer Seite. Noch im selben
Jahr fand er im Salmov bei Mikulášovice ein Sommerhaus, das zum Stützpunkt
auf tschechischem Gebiet wurde. Dort trafen sich die Spurensucher, dort
übernachteten seine häufigen Gäste. So fasste er in Sebnitz und Salmov
nicht nur rasch Fuß, sondern setzte seine Arbeit beiderseits der Grenze
noch effektiver fort.
Die Erforschung des Todesmarsches der Schwarzheide-Häftlinge
vom April/ Mai 1945, die zahlreichen Interviews mit überlebenden
Antifaschisten und mit den Angehöriger ermordeter Widerstandskämpfer aus
unserer Region und die grenzübergreifende, ja internationale Arbeit der
Spurensucher sind das bleibende Verdienst seiner Gruppe. Mit den Gedenktafeln
zum Todesmarsch hat er sich und seinen Mitarbeitern ein Denkmal gesetzt. Auch
in den letzten Jahren haben die Spurensucher immer wieder auf sich aufmerksam
gemacht, sei es durch Gedenkveranstaltungen, durch Zeitungsartikel, durch
Begegnungen mit antifaschistischen Veteranen, mit ehemaligen KZ-Häftlingen
und Spanienkämpfern, durch Exkursionen nach Duchcov/ Dux, an den Bodensee und
nach Wien, durch ihre Wortmeldungen auf Konferenzen und Treffen. Da stand ihm
besonders der heute 28jährige Milan Bilý aus Šluknov zur Seite, dessen
Roma-Großvater Demeter Bilý von den Nazis aus rassischen Gründen umgebracht
worden ist. Überhaupt ist die Arbeit der letzten zehn Jahre auch durch Milans
Mitarbeit geprägt. Vergessen wir aber nicht die anderen Mitstreiter in Nordböhmen
und Sachsen: den 76jährigen Nikolaj Chomenko aus Salmov, den 24jährigen Lars
Schubert aus Chemnitz, Welly Hempel aus Hinterhermsdorf (die im September 90
wird)! Alle sie seien hier nur stellvertretend genannt. Das Nebeneinander von
Alt und Jung war und ist in der Gruppe eine Selbstverständlichkeit. Es gibt
den 91jährigen Ehrenvorsitzenden der Gruppe, Jiří Lom aus Prag, und
unsere beiden Spanienkrieg-Veteranen, einen ehem. Zwangsarbeiter aus
Belorussland, einige ehem. Häftlinge aus Tschechien, Israel und Frankreich,
die am Todesmarsch teilgenommen hatten, die Angehörigen von Widerstandskämpfern
und andere. Sie stehen neben „jungen Hüpfern“ aus unserer tschechisch-sächsischen
Grenzregion, aus Chemnitz, aus Hessen und Hamburg.
Das Durchschnittsalter liegt in der Gruppe bei 55
Jahren, eines der niedrigsten in den Ortsgruppen der sächsischen VVN-BdA, wo
der Durchschnitt bereits 81 Jahre zählt.
Heinz war zuweilen kein bequemer Partner. Manch einen Mitstreiter hat er verärgert,
sich zu oft verrannt. Selbst in kleinen Dingen wollte er mit dem Kopf durch
die Wand. Diese Verbissenheit hat ihn viel Kraft gekostet und war wohl auch
eine Ursache für den Krebs, den die Ärzte bereits 2001 diagnostiziert
hatten. Aber mit seiner schlagfertigen, humorvollen Art und seinem rastlosen
Tatendrang hat er viele Menschen in seinen Bann gezogen. Er verstand es zu
begeistern, er verstand es, die Menschen zu interessieren und an seinen
Vorhaben zu beteiligen. Manche der Jugendlichen aus seiner „Schule“ von
einst sind dem Thema und dem Anliegen treu geblieben. -- „Halt’ keine
Referate, fass lieber mit an!“ würde er mir jetzt zurufen, schon wieder auf
dem Sprung. Wie immer.
Weitere Nachrufe auf Heinz Senenko sind erschienen in den
Deutsch-Tschechischen Nachrichten Nr. 64 vom 28. Februar 2005 (Verf. Renate
Hennecke) und in der Februar-Ausgabe des Mikulášovický zpravodaj“ (Verf.
Nikolaj Chomenko).
“Herausgefordert
hat mich, als jemand sagte, junge Leute interessieren sich nicht für
Geschichte. Diese sei ohnehin nur an den Brennpunkten, zum Beispiel in Berlin,
nachforschenswert.“ Heinz Senenko wollte den Gegenbeweis antreten. Die
Arbeiterbewegung habe überall ihre Spuren hinterlassen, konterte er! Sein
Konzept vertrat er nicht nur auf Konferenzen und in der „Deutschen
Lehrerzeitung“. Er praktizierte es. Die AG „Junge Historiker“, wie sich
die 1974/ 75 gebildete Gruppe nannte, war erfolgreich. Sie trug Informationen
zusammen, befragte Dorfbewohner, fotografierte, dokumentierte und gab schließlich
Broschüren zur Geschichte von Hinterhermsdorf und Saupsdorf heraus. Bei
Recherchen zur Ortschronik von Saupsdorf stieß die Gruppe auf undurchsichtige
Vorgänge im Jahr 1945. Es war allgemein bekannt, dass Häftlinge 1945 durch
den Ort getrieben worden sind. Doch etwas genaues wusste niemand. Also ließ
die Gruppe in der Presse Aufrufe ergehen. Es war knifflig, zumal sich die Wege
einiger Todesmärsche kreuzten. Doch die Gruppe konnte einige Teilnehmer
ausfindig machen. – Mit diesen Forschungen erfuhr die Gruppe zweifellos die
größte Resonanz. Das zeigten auch die nachfolgenden Konferenzen,
Publikationen und der 1987 eingeweihte Lehrpfad zum Todesmarsch. Die 17
steinernen Gedenktafeln von Bischofswerda bis zur Grenze bei Hinterhermsdorf
stehen (oder hängen) heute noch, auch wenn der Erhalt und die Sicherung so
mancher Platte von einigen Zeitgenossen nicht mehr gern gesehen wird. Das
Thema Todesmarsch hat Heinz nicht mehr losgelassen; mit vielen Überlebenden
(ebenso mit einigen alten Widerstandskämpfern) hat er bis zu seinem Tode
einen äußerst regen Briefwechsel geführt, mit Jiří Horský, mit
Jarmila Kafková, mit Jiří Franĕk, mit Gilbert Dupaud, mit Richard
Svoboda und anderen. Seit er sie vor drei Jahrzehnten kennenlernte, hat er sie
immer wieder aufgesucht oder sie zu Begegnungen und Gedenkveranstaltungen nach
Sachsen eingeladen. Bis zuletzt. Sieben von ihnen sind heute Ehrenmitglieder
der Gruppe.
Bibliografische
Übersicht
über die von der AG Junger Historiker herausgegebenen
Publikationen (unvollständig):
Die mit *
gekennzeichneten Hefte sind gegen eine Spende von 3 € beim Vorstand
erhältlich.
Kleine Orts-Chronik von Hinterhermsdorf. Hinterhermsdorf
1977, 18 S., 2 Abbn.
*Dem Schweigen entrissen. Konferenzbericht.
[Forschungsergebnisse zum Todesmarsch aus dem KZ Schwarzheide 1945] Sebnitz/
Hinterhermsdorf 1980, 41 S., ill., mit Titelgrafik von Ferenc Kesztyüs
Kleine Ortsgeschichte Saupsdorf. Saupsdorf 1982, 48 S., ill.
*Laßt die Glut nicht verlöschen! [biograf. Porträts von 16 ehem. Häftlingen der Todeskolonne aus Schwarzheide] Sebnitz 1984, 54 S., ill.
*Antifaschisten sind niemals vergessen. Biografische Skizzen
zu antifaschistischen Widerstandskämpfern beiderseits der Grenze und
Aktivisten bei der Schaffung der Grundlagen des sozialistischen Neuaufbaus
(Zur Geschichte der Arbeiterbewegung im Kreis Sebnitz, Heft 4) [21
Kurzbiografien] Sebnitz 1987, 83 S., ill., mit einer tschechischsprach.
Zusammenfassung
*Zwischen Wachberg und Kirnitzschtal – Aus der Heimatgeschichte von Saupsdorf. Saupsdorf/ Sebnitz, Oktober 1989, 17 S., 4 Fototafeln
Antifaschismus noch „zeitgemäß“? Briefe zur Verteidigung von
Erbe und Tradition [Replik auf einen Leserbrief in der Sächs.Ztg. vom
9.2.1990, dessen Verfasser u.a. den Lehrpfad in Frage stellte] Sebnitz, Juli
1990, 28 S. geheftete Kopien, ill.
Lektüre
für Spurensucher
Schindler, Joachim: Dem Vergessen entrissen: Dresdner Wanderer und Bergsteiger
im antifaschistischen Widerstand. in: Deutsch-Tschechische Nachrichten; Nr.
63, 14. Januar 2005. Bestellbar für 1,50 € (+ Porto) beim GNN-Verlag
Süd, 70327 Stuttgart, Stubaier Str. 2, Fax 0711-621532, stuttgart@gnn-verlag.com
Weinhold, Barbara: Eine trotzkistische Bergsteigergruppe aus Dresden im
Widerstand gegen den Faschismus. Neuer ISP Verlag Köln 2004, 236 S.,
mit Fotos, 21 €. Eine kurze Rezension dieses Buches findet sich auch in der
vorgenannten DTN-Ausgabe auf S. 15
Ruscher, Heinz: Zwischen Kirnitzsch und Wesenitz, Band 2: Eine Region und ihre
Menschen in der Zeit der Weimarer Republik 1919-1933. Pößneck 2004,
153 S., mit 25 Abbn., 9,90 €, erhältlich in der Buchhandlung am Marktplatz
Sebnitz, 01855 Sebnitz, Tel. 035971-53567, Fax - 51563
Unsere Heimat unterm Hakenkreuz – Ein Beitrag zu nationalsozialistischer
Gewaltherrschaft, Verfolgung und antifaschistischem Widerstand in
Amtshauptmannschaft und Kreis Pirna von 1933 bis 1945. Erarbeitet von Boris Böhm,
Günter Endler, Rudolf Hajny, Hugo Jensch, Günter Kosmol, Heinz Ruscher.
Pirna 2003, 368 S., zahlreiche Abbn., 15 €, erhältlich in
Buchhandlungen in Pirna, Heidenau und Königstein, in den Heimatmuseen
Sebnitz, Stolpen und Pirna, in den Naturfreundehäusern Hohnstein (Jugendburg)
und Königstein-Halbestadt, in den Pirnaer Kreisvorständen der PDS, SPD und
der Urania, in der Euthanasie-Gedenkstätte Pirna-Sonnenstein sowie beim
VVN-BdA-Kreisvorstand Pirna (Sonja Pick 03501-781526).
Die in Hagen ansässige Čapek-Gesellschaft bietet eine durch ihren
Vorsitzenden Dr. Ulrich Grochtmann verfasste und durch den Asta der
Geschwister-Scholl-Universität München hgg. Dokumentation und Studie „München
1938/ März 1939“ zum Preis von 17 € an. Dieses aufschlussreiche Werk berücksichtigt
keineswegs nur die Vorkriegsentwicklung, sondern besticht durch die kritische
Rezeption der zeitgenössischen Presse (und schöpft dabei aus dem vorzüglichen
Zeitungsarchiv der Čapek-Gesellschaft), der politischen Publizistik, der
Fachliteratur (darunter auch viele jüngere tschechische Arbeiten) und durch
die Auseinandersetzung mit den Nachkriegspolitik der Vertriebenenverbände
einschließlich sozialdemokratischer Positionen von Wenzel Jaksch bis Peter
Glotz und Otto Schily. Auch jüngste Entwicklungen, so die Diskussion um die
Beneš-Dekrete, um das „Zentrum für Vertreibungen“ und die Eröffnung der
„SL-Botschaft“ in Prag, erörtert Grochtmann. Ein wirklich anregende Lektüre!
Bereichert wird die Doku durch Faksimiles von zeitgenössischen Presseorganen
der ČSR.
Grochtmann, Ulrich: München 1938/ März 1939. Hintergründe, Ereignisse,
Folgen. Ereignisse und Entwicklungen vor, während und nach dem Zweiten
Weltkrieg. Ein Beitrag zum Thema „Deutsche und Tschechen im 20.
Jahrhundert“; München und Hagen 2004, 327 S. A4, mit zahlreichen
Faks., Preis 17 € + Versandkosten, erhältlich bei der Čapek-Gesellschaft,
Gerhart-Hauptmann-Str. 4, 58093 Hagen, Tel. 02331-54028
Replik
Dereinst
nur blühende Landschaften
Die Februar-Ausgabe des im bayrischen Backnang herausgegebenen Vertriebenenblättls
„Unser Niederland“ (UN), das sich für den Schluckenauer Zipfel
„landsmannschaftlich“ zuständig fühlt, druckte einen
landeskundlich-historischen Beitrag über den zu Mikulášovice gehörigen
Ortsteil Salmov ab. Man fragt sich beim Lesen unwillkürlich, welcher
Gesellschaftsschicht der Verfasser Dr. Josef Grohmann eigentlich angehört
haben mag, dass sein Rückblick derart idyllisierend-schwärmerisch geriet.
Mit der Wahrheit hat das nichts zu tun. Aber was geht uns die Beschränktheit
von Berufsvertriebenen an? Eine historische Beschränktheit, die gewollt ist
und den politischen Motiven der Sudetendeutschen Landsmannschaft folgt.
Wir wollen
aber Dr. Grohmanns sonnige Rückblenden unseren Lesern nicht vorenthalten. Es
ist ihm bereits in der ersten Spalte ein Bedürfnis festzustellen, dass im
Jahr 1945 mit einer Ausnahme alle 140 Einwohner deutschen Ursprungs waren.
Denn blutmäßig muss das klar sein, damit keiner auf die Idee kommt nachzuprüfen,
was eigentlich sozial (!) im paradiesischen Niederland lief. Immer schwingt in
solchen landsmännisch-ethnischen Formeln der Tenor mit, dass Tschechen zwar
– o’gott’naja – auch Menschen sind, man sie aber eigentlich nur
brauche, um heuer in gemeinsamen Gottesdiensten die Versöhnung einzumahnen.
Wie sich Grohmann & Co. die Versöhnung praktisch vorstellen, wenn der
Gottesdienst vorüber ist, das erfährt man alljährlich zu Pfingsten in
Bayern und gleich anschließend in der UN. Aber dies nur nebenbei. „Die
Einwohner von Salmdorf“, so also Dr. Grohmann über die 30er Jahre, „führten
ein reges Gemeinschaftsleben, waren natur- und ortsverbunden, pflegten enge
nachbarschaftliche Kontakte und gegenseitige Hilfe, waren gesellig,
bescheiden, genügsam, arbeitsam und gottesfürchtig. Sie führten eher ein
unauffälliges, ruhiges, ausgeglichenes und zufriedenes Leben.“ Kurzum: Sie
hätten sich „wohl und geborgen“ gefühlt. Wahrscheinlich lässt ja Dr.
Grohmann seine ungetrübten Kindheitserinnerungen vor seinem geistigen Auge
vorüberziehen, wenn er solcherart zu Papier bringt. Wir wissen es nicht.
Abschließend resümiert er: „Heute ist freilich von dem einstigen
idyllischen Leben zufriedener Salmdorfer nichts mehr zu spüren ... so dass
der Exitus dieses einst blühenden deutschen Ortes vorprogrammiert ist. Der
Untergang kann nur noch eine Frage der Zeit sein.“
Auch unser Mitglied Nikolaj Chomenko, der selbst in
Salmdorf/ Salmov wohnt, hat Dr. Grohmanns Artikel gelesen. In einem Brief an
die UN-Redaktion, den wir hier in Auszügen wiedergeben, versucht er, dem wehmütigen
Doktor durch ein wenig Rückbesinnung auf die Tatsachen Trost zu spenden.
Liebe Redaktion!
(...) Im Februar 2005 hat Dr. Grohmann [in Ihrer
Zeitschrift] über Salmdorf bei Nixdorf geschrieben sowie über die
Schwarze Mühle in Salmdorf. (...) Ich lebe im Schluckenauer Zipfel schon
sechzig Jahre und ich will auch in diesem Teil Böhmens sterben. Ich bin kein
Deutscher, ich bin halb Tscheche, halb Russe. Meine politische Ansicht ist
internationalistisch. (...) Ich habe mir in Salmdorf ein neues Haus
gebaut und in diesem wohne ich schon sieben Jahre. Viele Deutsche aus
Deutschland kommen zu mir und wollen wissen, wie das hier früher war, da sie alle
später geboren sind. Über die Historie des ehemaligen Bezirkes Schluckenau
habe ich zwei Jahre lang in der "Schluckenauer Zeitung" [so der aus
dem Tschechischen übersetzte Titel] geschrieben. Darum kann ich sagen, dass ich
schon eine gute Übersicht habe. Dr. Josef Grohmann ist kein Historiker,
er ist Advokat. Er hatte nur wenige Informationen und viele davon waren
falsch. Als Beispiel zwei Punkte: Im Jahre 1850 lebten in Salmdorf
über 500 Leute, im Jahre 1910 schreibt die österreichische Statistik von 331
Bewohnern. Im Jahre 1945, so Dr. Grohmann, waren es 140 Einwohner, heute nur
acht. Das ist aber nicht die Wahrheit. Heute sind wir 12 Einwohner: 3
Sudetendeutsche und 9 Tschechen sowie 9 Hunde. Vor 100 Jahren waren
in der Landwirtschaft Salmdorfs 205 Menschen beschäftigt. Heute benötigen
wir auf 1000 Hektar ganze 2 Traktoristen ohne Hilfsarbeiter. Früher
arbeiteten im Walde
zehn Holzschläger. Heute kommt ein Mann mit dem Auto aus Schluckenau mit
der Motorsäge und schafft soviel Arbeit, wie früher 10 mit der Handsäge.
Dr. Grohmann weint, dass so wenig Menschen hier leben. Jedoch ist hier ein
sehr schlechter Boden, und der Ertrag war sehr niedrig. Schon vor 100 Jahren
haben die Salmdorfer Bauern fast die Hälfte der Felder und Wiesen mit Fichten
besetzt. Im Jahre 1850 gab es in Salmdorf 47 Häuser. Im Jahre 1945 waren
es 49. Bei den zwei neuen handelte es sich um die Schule und die
Manufakturstrickerei. Innerhalb von 100 Jahren hat man also keine Wohnhäuser
gebaut. Wir Tschechen haben binnen 30 Jahren schon zehn Häuser und Hütten
errichtet. Wo einst die mit Strohdach gedeckte Schwarze Mühle stand,
dort steht jetzt ein neues schönes Gebäude. Es würde auch keine
Schande machen, wenn es in den Alpen oder in der Schweiz stünde.
Von 1850 bis 1945 ist die kapitalistische
Industrie gewachsen, und die Leute haben dort mehr Geld verdient als in der
armen Landwirtschaft. Darum sind keine neuen Häuser in Dörfern gebaut
worden. (...) Als wir 1945 hierher gekommen sind, war Rumburg ein größeres
Dorf, wo die Bauern mit Kühen ihren Mist über den Marktplatz auf
das Feld gefahren haben. Und heute ist Rumburg eine schöne moderne Stadt, wo dreimal
mehr Menschen leben als im Jahre 1945. (...)
KRUH
Im Jahr
1938 vertrieb Hitler 140.000 bis 170.000 tschechoslowakische Staatsbürger
(unter ihnen viele sudetendeutsche Antifaschisten) aus den annektierten
deutschsprachigen Grenzgebieten ins Landesinnere der ČSR. Der
tschechische Verband „Kruh občanů České republiky vyhnaných
v roce 1938 z pohraničí“, zu deutsch „Kreis der im Jahre 1938 aus
dem Grenzgebiet vertriebenen Bürger der Tschechischen Republik“, entstand
anlässlich des 75. Gründungstages der ČSR am 28. 10. 1993 in Prag. Mit
1.300 Mitgliedern vertritt er die Interessen der von Henlein und Hitler
vertriebenen Staatsbürger. Er gibt seit 1995 ein Informationsblatt heraus,
das 2mal jährlich in tschechisch (im Umfang von jew.16-20 S. A5) unter dem
Titel „Zprávy z KRUHU“ erscheint und erhältlich ist bei PhDr.
Pavel Macháček, Pujmanové 1/870, CZ-140 00 Praha 4, Tel.
00420-241731271, janskyj@post.cz oder bei Jiří Prokop: jiri_prokop@yahoo.com
Aus dem Fotoarchiv der Spurensucher
Vor 60 Jahren: Tschechischer Maiaufstand
Am 5. Mai 1945 erreicht der Maiaufstand des tschechischen Volkes die
Protektoratshauptstadt Prag. Nahezu 100.000 Aufständische beteiligen sich an
dieser Erhebung. Nach anfänglichen Erfolgen gewinnen jedoch Wehrmachts- und
SS-Einheiten durch ihr brutales Vorgehen zeitweise die Initiative zurück,
dringen mit Panzern und Flugzeugen zum Stadtzentrum vor und richteten unter
der Bevölkerung ein Blutbad an. Sie zerstören viele Gebäude, u.a. den Ostflügel
des historischen Altstädter Rathauses (letzteres bekannt durch seine
astronomische Aposteluhr. Mit diesem Gemäuer gehen das unersetzliche
Stadtarchiv, die älteste Glocke Böhmens und andere Kulturgüter in den
Flammen unter). Wie der verstorbene Schriftsteller Bernt Engelmann 1987 in der
erweiterten Neuauflage seines Buches „Großes Bundesverdienstkreuz mit
Stern" berichtet, ist nach allen vorliegenden Indizien der 30jährige
SS-Offizier Hanns Martin Schleyer verantwortlich für eines der Massaker in
der Innenstadt. 41 unbewaffnete Männer, Kinder unter drei Jahren und Frauen
(darunter zwei Hochschwangere) sind die Opfer seiner Erschießungen am 6. Mai.
In der Bundesrepublik avancierte er 1973 zum Arbeitgeber-Präsident. Er sei
tatsächlich ,,ein SS-Haudegen, ein toller Hecht, auch der letzte
Kampfkommandant von Prag gewesen", äußerte Schleyer freimütig in einem
Gespräch mit Engelmann, ohne konkret zu werden.
[Fotos nur in der Printausgabe]
Tipps &
Termine
24. April 2005:
Gedenken in Pístov
Seit 1989 nehmen Herbert Böhme und seine Kameraden von der VVN-Ortsgruppe Aue
alljährlich an der („Manifest“ genannten) tschechischen
Gedenkveranstaltung teil. Sie gilt den 68 in Pístov von den Nazis am 21.
April 1945 wie Vieh erschlagenen und verscharrten Häftlinge des Todesmarsches
aus dem KZ Flossenbürg, Nebenlager Lengenfeld Dieser Marsch führte von
Lengenfeld über Karlsbad nach Bor. Unter den 1946 exhumierten Opfern fand man
Landsleute aus Polen, Italien, Jugoslawien, Belgien, Ungarn, Deutschland und
aus der ČSR. Zu den neu beigesetzten Leichen kamen noch die sterblichen
Überreste von zwei englischen Fliegern, die nach dem Absprung aus ihrem
brennenden Flugzeug von deutschen Anwohnern ermordet worden sind.
oder – 52571 (Gressel)
Riesengebirgstreffen
Am 27. August 2005 findet in Malá Úpa (Kleinaupa) das traditionsreiche
Antifa-Treffen im Riesengebirge/ Krkonoše statt. Direkt auf dem Grenzverlauf treffen sich ab 9 Uhr Antifaschisten
aus mehreren Ländern, vorrangig aus Tschechien, Polen und Deutschland, zu
einer kleinen Kundgebung (im Jahr 2004 reisten 200 Freunde an). Danach findet
ein Forum zu politischen Themen statt; parallel dazu brechen viele Freunde zu
dem traditionellen mehrstündigen Marsch zur Schneekoppe auf. Zu empfehlen ist
eine Anreise am Vorabend. Im Ort findet man bereits ab 10 € pro Nacht ein
Quartier.
Diese alljährliche Begegnung gibt es bereits – mit Unterbrechungen – seit
83 Jahren. Zwischen 1922 und 1933 bekundeten solche Treffen an der
Schneekoppe die grenzübergreifende Solidarität. Am 26. Juli 1927 begrüßten
mehrere tausend Teilnehmer nach einem schwierigen Nachtmarsch auf dem Gipfel
der Schneekoppe den Sonnenaufgang mit dem Gesang der Internationale. Bei der
anschließenden Kundgebung sprachen an der Wiesenbaude u.a. Ernst Thälmann
(unter dem Decknamen Kraft) und Fred Oelsner vor 2500 tschechischen und
deutschen Linken. Die Solidarität mit der Sowjetunion und der Kampf gegen das
Massenelend standen damals im Mittelpunkt. Bei dieser Kundgebung erhielten die
tschechischen von den deutschen Genossen eine Fahne überreicht. Noch heute
begleitet dieses Tuch den Kreisverband der KSČM zu den jährlichen
Traditionstreffen und auch zu den Januar-Gedenkveranstaltungen für Rosa und
Karl in Berlin-Friedrichsfelde, an der die Trutnover Genossen teilnehmen.
Seit 1972 erinnerte ein Denkmal in Malá Úpa bei der
Grenzbaude an diese Treffen. Nach der „samtenen Revolution“ wurde es 1994
wieder entfernt. Der Fortsetzung der Tradition
stand das allerdings nicht im Wege.
(Einige
Passagen des vorstehenden Textes wurden entnommen dem Mitteilungsblatt des
PDS-Stadtverbands Leipzig vom 16. Juni 2003)
Den
aktuellsten Kenntnisstand zur Vorbereitung des alljährlichen
Traditionstreffens bietet die Webseite http://www.sfelr.im-osten.de/ spätestens
einen Monat vor Termin.
Kontakt: Landes-AG Internationale Arbeit der PDS-Brandenburg, Hans-Peter Schömmel
(Cottbus), Tel. 0355-861017, schoemmel@t-online.de
Freundeskreis des Kunstblumen- und Heimatmuseums Sebnitz
Der Freundeskreis ist im April an den Vorbereitungen der Gedenkveranstaltungen
in Sebnitz zum 60. Jahrestag der Befreiung beteiligt. Zur nächsten eigenständigen
Veranstaltung lädt die Gruppe dann wieder am 19. Mai, 18:30 Uhr, in das
Nationalparkhaus Bad Schandau, Dresdner Str. 2 B, zu
einem Vortrag Frank Richters über den Maler Ludwig Richter (1803-1884) ein.
Kontakt: 035971-52450 (Herbert Bergmann)
Herbert, die Spurensucher gratulieren zum Jubiläum und wünschen dir alles
Gute und noch viel Kraft!
Borgen
bringt Sorgen
Eine Kurzgeschichte von Paul Bauer
„Borgen bringt Sorgen“, sagte
meine Mutter immer. Obwohl an meinen Vater gerichtet, galt es auch mir. Ich
sollte nicht der gleiche Bruder Leichtsinn werden. Meine Eltern zählten zu den
armen Leuten im Dorf, aber das strenge Regime meiner Mutter hielt das wenige
Geld zusammen. Dadurch besaßen sie eben mehr als andere, denen selbst größere
Summen wie Sand durch die Finger rannen. Wenn mein Vater nun einem noch ärmeren
Schlucker eine kleine oder etwas größere Summe borgte, dann nicht etwa um
anzugeben. Nein, ihn plagte das Mitleid und er konnte einfach nicht nein sagen.
Natürlich ging es nicht um Zinsen oder gar Wucher, erst zu späterer Zeit ließ
er sich auf einem Schmierzettel, der gerade zur Hand war, wenigstens den Erhalt
der Summe bestätigen.
Ich selbst ließ mich in jungen
Jahren, also zu DDR-Zeiten, nie auf so eine Sache ein. Das kam erst nach der
Wende. Auf Pump, mit „geborgtem“ Geld kaufen kam in Mode. Rechnungen oder
Schulden nicht bezahlen ebenso. Und noch etwas ergab sich, besonders für uns an
der Grenze zu Tschechien und Polen. Waren wir für die einen die armen Brüder
im Osten, so wurden wir parallel dazu für die anderen die reichen Nachbarn im
Westen. So erwischte es schließlich auch mich.
Ich hatte durch die Zusammenarbeit
mit unserer tschechischen Partner-Feuerwehr plötzlich Bekannte und dann sogar
Freunde auf der anderen Seite. Ich kann dir sagen, der Wessi hat eine andere
Mentalität als wir, aber die Tschechen auch.
Bei Karel und Jirka – die haben in
der Feuerwehr ungefähr die gleiche Funktion wie ich – merkte ich das übrigens
erst viel später als bei den Wessis. Weder fielen sie durch die Bekleidung auf,
von der Vorliebe zum Trainingsanzug mal abgesehen, noch durch besondere
Eitelkeiten. Selbst beim Trinken sind wir uns ähnlich.
Doch dann kam Karel zu mir. Er hatte
die Arbeit verloren – ich hatte glücklicherweise noch welche – und seine
Frau bekam das zweite Kind, ging nun auch nicht mehr arbeiten. Es war Winter,
kein Geld für Kohlen da und das dritte Mal wollte er die Schwiegereltern nicht
anpumpen. Da konnte man nicht nein sagen. Außerdem hatte er noch Außenstände
und in spätestens 3 Monaten würde ich das Geld zurück haben. Wir trafen uns
auch weiterhin. Erst als ich nach vier Monaten vorsichtig nachfragte, wurde er
traurig, bat um Aufschub. Die Waschmaschine war kaputt gegangen und der alte Škoda
auch, jetzt bei zwei Kindern ging das eine vor das andere. Ich gewährte ihm die
2 Monate Aufschub. Was blieb mir übrig?
Bei Jirka war das anders. Er
sammelte wie ich Briefmarken. Wie ich war er geschieden. Und auch er hatte wie
Karel ein kleines Kind. Sein kleiner Laden hielt nur mit Mühe der Übermacht
der vietnamesischen Händler stand. Das Fiasko kündigte sich an, als das
Finanzamt eine größere Nachzahlung verlangte, die eigentlich auf seine
geschiedene Frau zurück ging. Ich saß in seiner Wohnung, als die
Alimenten-Forderung nicht mehr die Post, sondern die Polizei brachte. Die
Polizisten hatten kaum das Haus verlassen, als ein Außendienstler der
Energieversorgung den Strom abschaltete. Da musste ich doch eingreifen, wenn
auch schweren Herzens. Mit viel Geschick versuchte ich meiner Frau die Summe zu
erklären, die nötig gewesen war – vergebens. Sie schaltete mehr als ein
Verbindungskabel ab. Es dauerte ewig, bis eine Überbrückung gelang. Und die
nie vollständig. Trotzdem war ich bei meiner Frau immer noch erfolgreicher als
bei Karel und Jirka. Der erste ließ sich zunächst von seiner Frau verleugnen,
dann ließ er mich gar nicht mehr ins Haus. Als ich mich an seinen Hauptmann um
Hilfe wandte, erfuhr ich, dass Karel selbst welche brauchte. Man hatte ihn beim
Schleusen erwischt. Für 150 Euro war er der Dumme, der die Grenze mit vier
Vietnamesen überqueren sollte. Nun saß er in Bautzen in U-Haft, während die
Auftraggeber mit dem Geld in der Tasche in Prag fein Essen gingen. Ich schämte
mich fast, ihn wegen meiner paar Kröten bedrängt zu haben. Aber es war doch
mein Geld, was ich verlangt hatte! Was waren das nur für Zeiten?
Jirka dagegen sitzt weder in Bautzen
noch in Prag, sondern zu Hause. Ja, er zahlt mir in Abständen etwas zurück.
Die vielen Euros centweise. Ich weiß nicht, ob ich so alt werde, bis der letzte
Heller beglichen ist. Vermutlich nicht, denn mein Herz rast jedesmal, wenn ich
ihn zu Hause gemütlich mit seiner Frau beim Kaffee vor dem Fernseher hocken
sehe. „Was soll ich machen? Arbeit gibt es keine. Soll ich meine Frau auf die
Straße schicken?“
Nein, das sollte er nicht. Überhaupt
nicht und auch weil sie nicht ansehnlich genug ist. Und ich ahne, dass es
weniger an der Mentalität, als an den Verhältnissen liegt. An denen, die mir
früher dieses verdammte Mitleid einimpften. Vielleicht passt sogar das alte
Wort „Solidarität“. Unser Pfarrer würde es sicher „Nächstenliebe“
nennen. Und an den heutigen Verhältnissen, die Karel und Jirka zu ewig armen
Schuldnern machen.
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der internationalen Gruppe
Spurensucher
100
Jahre Klettern am Großen Halben, Brandgebiet
3.
und 4. Juni 2005 in Hohnstein/ Sachsen
Freitag,
3.6.,
20 Uhr, Burg Hohnstein/ Sachsen Vorträge: Kutschke: Geologische Besonderheiten Schindler: Erschließungsgeschichte Heinicke: Kletterführer Bellmann: Gipfelbücher Landes (Mü.): Sächsische Begegnungen Schulze: Fotografie |
Sonnabend, 4.6. Jubiläumsbesteigung Großer Halben 19 Uhr: Lesungen, Filme, Vorträge etc |
Rote
Bergsteiger zwischen Mythos und Wirklichkeit
Der
Dresdner Forscher zur Geschichte des sächsischen Bergsports
Joachim Schindler wird am Sonnabend 11. Juni 2005 im Rahmen des
Wochenendtreffens der Spurensucher in Salmov (ČR) einen Vortrag
über die legendären Roten Bergsteiger halten. Es geht J. Schindler keineswegs
um die Nährung liebgewordener Mythen, sondern er wird sich bei seinem Vortrag
auf den neuesten Forschungsstand stützen, zumal
er selbst seit vielen Jahren auf diesem Feld forscht. Beginn voraussichtlich 18 Uhr.
siehe
unsere Themenseite über
Willi
Bredels Exil in Prag 1934
© 04/ 2005 by René Senenko, P.O. Box 166, 22401 Hamburg, Germany, Kontakt: R e n k o @ f r e e n e t . d e