Info Antifa & Geschichte

Mitteilungsblatt der internationalen Gruppe „Spurensucher“
Ausgabe 2005
Online-Fassung vom 13. März 2006


Anmerkung: Print- und Online-Version sind nicht identisch. Redaktionsschluss für die Printausgabe war am 5. April 2005. Der Aktualität im Internet verpflichtet, wird die online-Ausgabe stets ergänzt und aktualisiert. Die Redaktion ist für aktuelle Termine, Literaturhinweise, Beiträge und Hinweise dankbar und wird sie - sofern geeignet - hier unter den Meldungen veröffentlichen. 


Inhalt
Kontakt & Impressum

Zum Tod von Heinz Senenko:
Honza ist tot!
Milan Bilý: Něco o Honzovi – Etwas über Honza
in memoriam: Dr. Heinz Senenko

Gruppenleben & Veranstaltungen:
Wie weiter mit den Spurensuchern?
VVN-Landeskonferenz in Dresden
60. Jahrestag der Befreiung: Ehemalige Häftlinge des Todesmarsches zu Gast – Begegnung an denkwürdigen Orten in der Region  Sebnitz - Veranstaltungen in Schwarzheide -
Veranstaltungen in Kamenz - Weitere Aktivitäten in Sebnitz & Umgebung  
Aufgenommen im Juni 2000 in Prag: Männer, die den Todesmarsch von Schwarzheide nach Theresienstadt überlebt haben

Vereinsgeschichte:
Geschichte der Spurensucher
Bibliografische Übersicht über die Publikationen der AG Junge Historiker

Literatur - Kritiken - Tipps - Termine:
Neue Literatur zum Thema Verfolgung & Widerstand in der sächsisch-böhmischen Grenzregion

Lektüre für Spurensucher
Replik: Dereinst nur blühende Landschaften
Chomenko, Nikolaj: Brief an die UN-Redaktion
Deutsch-Tschechische Nachrichten

KRUH
Gedenken in Pístov
Riesengebirgstreffen
Freundeskreis des Kunstblumen- und Heimatmuseums Sebnitz
Herbert Böhme 75


Zeitgeschichte:
Aus dem Fotoarchiv: Vor 60 Jahren -
Tschechischer Maiaufstand

Kurzgeschichte:
Borgen bringt Sorgen. Eine Kurzgeschichte von Paul Bauer

Sonstige Nachrichten:
3.+ 4.6.05: 100 Jahre Klettern am Großen Halben
11.6.05: Vortrag von Joachim Schindler über die Roten Bergsteiger

 

Honza ist tot !

24. Januar 2005 erlag im Sebnitzer Krankenhaus der Vorsitzende der internationalen Gruppe „Spurensucher“, Dr. Heinz Senenko, im Alter von 72 Jahren einem Krebsleiden. Am 11. Februar fanden sich viele tschechische und deutsche „Spurensucher“, Freunde und Wegbegleiter sowie drei seiner Söhne in der Aufbahrungshalle Sebnitz und danach auf dem Sebnitzer Urnenhain „Am Plader“ ein. Insgesamt 45 Freunde waren aus Sachsen, aus der tschechischen Nachbarschaft von Sebnitz, aber auch aus Prag, München, Darmstadt und Hamburg angereist, um bei widrigem Winterwetter Honza auf seinem letzten Weg zu begleiten. Dr. Siegfried Schaffrath aus Sebnitz hielt eine beeindruckende Trauerrede.  

Beim anschließenden Beisammensein in der Ausflugsgaststätte „Finkenbaude“ ergriffen Hanuš Gaertner vom Verein der Überlebenden des KZ Schwarzheide aus Prag, Frido Seydewitz und Johannes Schulz, beide vom Landesvorstand der VVN-BdA Sachsen, sowie Dieter Rostowski vom Geschichtsverein Kamenz das Wort, Freunde des Deutsch-Tschechischen Filmklubs Sebnitz-Dolní Poustevna (in Gründung) ließen mit einer Video- und Bildershow noch einmal einzelne Episoden aus dem Leben des Verstorbenen lebendig werden und der Dresdner Singeklub „Ernesto Che Guevara“ gab mit seinen politischen Liedern vielen Gästen auch etwas Kraft und Optimismus zurück.  
Glücklicherweise hatten sich auch jene Freunde eingefunden, die an den (von Heinz mit vorbereiteten) Feierlichkeiten zum 60. Jahrestag der Befreiung in Sebnitz, Schwarzheide, Kamenz und Saupsdorf ummittelbar beteiligt sind. Sie berieten an Ort und Stelle die nächsten konkreten Schritte zur Vorbereitung dieser beiden Veranstaltungstage. Ein kleines Arbeitstreffen ganz im Sinne der Initiative des Toten!
 

 
Kontakt 
Koordinator für die Spurensucher bis zur Neuwahl am 11./12. Juni 2005 ist René Senenko, erreichbar unter 040-5276452 (AB), eMail, Postanschrift: Senenko, PF 166, 22401 Hamburg. Ansprechpartner für die tschechischen Mitglieder und Freunde ist der stellvertretende Vereinsvorsitzende Milan Bilý, E. Beneše 75, CZ-40777 Šluknov, Česká Republika, 00420-732 853 829.

Die Gruppe „Spurensucher“ ist dem Landesverband der VVN-BdA Sachsen e.V. angeschlossen.
Konto der Spurensucher: 10000 92751
BLZ 85550000, Sparkasse Bautzen
Kontoinhaber: VVN Sachsen Spurensucher. 
Internationale Überweisungen:

IBAN: DE31 8555 0000 1000 0927 51
BIC: SOLADES1BAT
 

Impressum 
Verantw. Redakteur für diese Ausgabe: René Senenko. Anschrift siehe „Kontakt“. Redaktionsschluss: 5. April 2005
Auflage der Printausgabe: 200
Die Printausgabe ist über die Postfach-Anschrift laut "Kontakt" beziehbar.
Ob das „Info“ weiterhin erscheint, wird zur Mitgliederversammlung am 11./12. Juni beraten.


 

 

Něco o Honzovi
Milan Bilý (28)

Já jsem se setkal s Honzou v roce 1994 v Rumburku. Stopoval jsem na cestě domů do Šluknova. Začali jsme se spolu bavit jelikož jsem uměl trochu německy ze školy. Zeptal jsem se ho jestli jede do Šluknova a on odpověděl že jede do Moskvy tak mě to zarazilo, ale potom jsem zjistil po čase že je to jeho osobitý humor. Na příklad když jme spolu byli nakupovat ve městě Pirna a on u pokladny řekl česky “já nemám peníze”, prodavačka na něj koukala co po ní chce.

Nebo když jsme přijely někam na návštěvu tak představil jako svého syna s tím že umím trochu česky. Honza mě vždy dokázal rozesmát svou češtinou např. Kominík byl u Honzy „čornoje muž“ nebo zloděj byl „cab carab muž“. U nás v obchodech ho každý znal, kdy koly se objevil tak ho oslovovali Honzo jak se máš. Na Honzovy jsem měl rád to jeho „óóó jak se máš, moj kluky“. Moje žena Jana a můj syn Pavel ho milovali jako člena rodiny, sdílel s námi radosti i starosti. Chybí nám to jeho zatroubení před domem, a to jeho “Milan, Jana, pocem, my dělame kávu a bábovku na Salmov”. Honza bude v naších srdcích žít stále. Mrzí mě že můj druhý syn Matěj nepoznal tak ůžasného člověka jako byl Honza Senenko. Honza byl prostě náš Honza.

 

Etwas über Honza
Milan Bilý 

Zum ersten Mal bin ich Honza im Jahr 1994 in Rumburk begegnet. Ich stand an der Straße in Richtung Šluknov und wollte per Anhalter nach Hause fahren. Er nahm mich mit. Da ich schon ein wenig Deutsch aus der Schule beherrschte, konnten wir uns gleich unterhalten. Ich fragte ihn, ob er nach Šluknov wolle, worauf er entgegnete, er sei eben nach Moskau unterwegs. Das hat mich natürlich stutzig gemacht, habe später aber gemerkt, dass das sein ganz persönlicher Humor ist. Als wir dann einmal in Pirna zusammen einkaufen waren, hat er an der Kasse zu der Verkäuferin gesagt „Ich habe kein Geld“, aber nicht etwa auf deutsch, sondern auf tschechisch: “Já nemám peníze”. Die Arme hat sich vielleicht gefragt, was er da von ihr will. Oder wenn wir wieder einmal jemanden besucht haben, hat er mich als seinen Sohn vorgestellt und dabei beiläufig erwähnt, dass ich auch etwas Tschechisch spreche...

Das für ihn typische Tschechisch zauberte immer ein Lächeln auf mein Gesicht. Zum Beispiel hieß der Schornsteinfeger statt „kominik“ bei ihm „čornoje muž“ (der „schwarze Mann“), der Dieb hingegen war der „zappzarapp muž“... Bei uns in den Geschäften war Honza allen bekannt. Alle haben ihn immer gleich angesprochen – „Na, Honza, wie geht es dir?“ Ich mochte auch sehr seinen Ausruf „OOOOh, jak se máš, moj kluky?“ – „Oh, wie geht es dir, meine Jungs?“
Meine Frau Jana und mein Sohn Pavel haben ihn wie jemanden geliebt, der zur Familie gehört. Er hat unsere Freuden und Sorgen mit uns geteilt.

Es fehlt uns jetzt das Hupen seines Autos vor unserem Haus und sein Ruf “Milan, Jana, pocem, my dělame kávu a bábovku na Salmov“ – „Milan, Jana, kommt her, wir machen einen Kaffee und einen Kuchen in Salmov“.

Honza wird in unseren Herzen weiter leben. Schade, dass mein zweiter Sohn Matej nicht mehr einen so wunderbaren Menschen kennenlernen konnte, wie es Honza Senenko war. Honza war einfach „unser Honza“.

            Der Verfasser (28 Jahre, Foto) ist stellv. Vorsitzender der „Spurensucher“
            Foto: R. Senenko

 


Wie weiter mit den Spurensuchern?
Was viele im Voraus ahnten oder gar wussten, ist nun mit dem Tod von Heinz Senenko eingetreten: Sein Ableben hinterlässt eine Lücke; ein Nachfolger ist nicht in Sicht. Verloren ging der Kopf unseres Vereins, der die Verbindung zu allen Mitgliedern und Freunden hielt und für alles, was in der Gruppe passierte, die Verantwortung trug. Wir, Milan Bilý (Šluknov), Rainer Böhme (Sebnitz/ Dolní Poustevna), Lars Schubert (Chemnitz) und René Senenko (Hamburg) haben in den Wochen nach Heinz’ Tod versucht, den Wagen am Laufen zu halten. Wir haben alles Nötige getan, um die von Heinz mit vorbereiteten Veranstaltungen zum 60. Jahrestag der Befreiung vom Faschismus Mitte April absichern zu helfen und die Verbindung zu den Mitgliedern und zum VVN-Landesverband zu halten. Doch erst unsere Mitgliederversammlung im Juni kann klären, wie auch die weitere Vereinsarbeit fortgeführt werden kann.


Mitgliederversammlung
Alle Mitglieder und Freunde, die an einer weiteren Mitarbeit und Mitgliedschaft bei den Spurensuchern oder auch nur an einer Zusammenarbeit mit uns Interesse haben, treffen sich zur Mitgliederversammlung der Spurensucher am Wochenende 11. und 12. Juni 2005 im Sommerhaus von Heinz Senenko in Salmov oder, falls das Sommerhaus nicht mehr zur Verfügung steht, in einem Ferienhaus nahe des unteren Bahnhofs in Mikulášovice. Anreise bis 14 Uhr. Übernachtung & Verpflegung sind gesichert; bitte Schlafsack und Getränke mitbringen. Auf der Tagesordnung stehen am Samstag ab 14 Uhr die Neuwahl des Vorstands und die Beratung über die weitere Arbeit der Gruppe. Abends grillen wir. Da der Versammlungsort noch nicht klar ist, erkundigt euch einige Tage vor dem Treffen bei einer der folgenden Kontakte: René: Handy 0160-815 7921, Rainer 035971-53066, Milan 00420-732 853 829 oder Nikolaj 00420-412 394 613. Eine extra Einladung für die Mitgliederversammlung wird nicht mehr verschickt.

Ein Wort zur Neuwahl des Vorstands: Eine Briefwahl für Mitglieder, die nicht anwesend sein können, ist wegen der bei Redaktionsschluss noch offenen Kandidatenliste dieses Mal nicht möglich. Der Vorstand wird deshalb zur Mitgliederversammlung vorschlagen, dass die Wahl durch die anwesenden Mitglieder erfolgt. Solltet Ihr nicht zur Wahl kommen können, aber bereit sein, im Vorstand mitzuarbeiten, meldet euch nach Erhalt dieses „Info“ bei René, Tel. 040-5276452. 
 

VVN-Landeskonferenz
Zur Landeskonferenz der VVN-BdA Sachsen, die am Dienstag, 26. April, im Gewerkschaftshaus in Dresden stattfindet, werden wir Spurensucher durch Nikolaj Chomenko (Salmov) und Herbert Schäfer (Saupsdorf) vertreten sein.

Todesmärsche vor 60 Jahren – 60. Jahrestag der Befreiung
Ehemalige Häftlinge des Todesmarsches zu Gast – Begegnung an denkwürdigen Orten

Die Spurensucher haben gemeinsam mit Partnern aus Schwarzheide und Kamenz die Rundfahrt ehemaliger Häftlinge des Todesmarsches von Schwarzheide nach Theresienstadt zu historischen Stätten vorbereitet. Am 18. und 19. April 2005 werden die Gäste aus Prag erwartet. Dabei sind Begegnungen mit Kommunalpolitikern ebenso geplant wie Gespräche mit Schülern. Hier der Zeitplan dieser zwei Tage (Stand Ende März):

 
Empfang in Sebnitz

Montag 18.4.05

8:00 - Prag: Abfahrt des Sonderbusses mit der tschechischen Delegation ehemaliger Häftlinge

11:00 - Ankunft in Schmilka, Bernd Schaller begleitet im Auftrag der Spurensucher über beide Tage die Gästegruppe

11:30 - Empfang durch den Sebnitzer Oberbürgermeister Mike Ruckh im Hotel „Sebnitzer Hof“

12:00 - Teilnahme von Seiten der Spurensucher: Bernd Schaller, Milan Bilý, Nikolaj Chomenko, Herbert Schäfer, Lars Schubert, Volker Heymann, René Senenko und Rainer Böhme. Danach Mittagessen

13:30 - Besuch der Grabstätte von Heinz Senenko auf dem Sebnitzer Urnenfriedhof

14:00 - Weiterfahrt nach Schwarzheide


Veranstaltungen in Schwarzheide
Montag 18.4.05

16:30 - Eintreffen der tschechischen Gäste in Schwarzheide. Empfang in der Galerie des Kulturhauses durch Wilhelm Hummerjohann, Geschäftsführer der BASF Schwarzheide GmbH, und Arne Petersen, Leiter Öffentlichkeitsarbeit

16:45 - Kaffeepause auf Einladung der BASF 

17:00 - Ehrung der Opfer auf dem Gedenkplatz mit Öffentlichkeit; Ansprachen: Landrat Holger Bartsch, Bürgermeister der Stadt Schwarzheide Bernd Hübner, Vertreter der tschechischen Delegation, Hanuš Gaertner

18:00 - Fahrt zu den Gedenktafeln am Tor 4 (nahe Einmannbunker), Ehrung der Opfer

19:00 - gemeinsames Abendessen im Casino auf Einladung der BASF

21:00 - Fahrt zu „Hotel und Gaststätte Lauchhammer“, Übernachtung mit Frühstück auf Einladung der BASF



Veranstaltungen in Kamenz
Programm Dienstag 19.4.05

10:00 - Eintreffen der tschechischen Delegation aus Schwarzheide in Kamenz. Erinnerung und Ehrung an der Gedenktafel Hoyerswerdaer Straße. Niederlegen von Blumen. Ansprachen des Kamenzer Bürgermeisters Roland Dantz und des tschechischen  Delegationsleiters Dr. Hanuš Gaertner. 

11:00 - Veranstaltung im Kamenzer Rathaus zum Abschluss des Projektes „Spurensuche 1945“. Der Bürgermeister begrüßt die Gäste und die Schuldelegationen, die am Projekt „Spurensuche 1945“ zu folgenden Themen beteiligt waren:

-  Konzentrationslager und Todesmärsche von Häftlingskolonnen am Kriegsende 1945  

-  Das Martyrium von KZ-Häftlingen unter SS-Schikanen  

-  Die Kriegsereignisse 1945 im Kreis Kamenz

- Übergabe der im Projekt angefertigten Schautafeln und Unterlagen an den Kamenzer Geschichtsverein. Ggf. Ansprache eines ehemaligen KZ-Häftlings (Pavel Stránský).  

12:00 - Mittagessen auf Einladung des Bürgermeisters

ca. 13:30 - Abfahrt nach Saupsdorf

Kamerad Pavel Stránský führt vom 20. bis 25. April an den Schulen des Kreises Kamenz Vorträge durch. Kontakt Kamenz: Dr. Dieter Rostowski, Körnerstraße 2, 01917 Kamenz, Tel. 03578-312260, www.rostowski.de; di-ros@web.de


Empfang in Saupsdorf

Dienstag 19.4.05

15:00 - Ankunft in Saupsdorf, Empfang durch Spurensucher und ggf. durch Bürgermeister, Niederlegen von Blumen an der Gedenkstätte

16:00 - Rückfahrt der Gäste nach Prag



Weitere Aktivitäten in Sebnitz & Umgebung
zum 60. Jahrestag der Befreiung
 
Offene Diskussionsrunde der PDS und der „Spurensucher“ am Mittwoch, 27. April, 19 Uhr in der Stadtbibliothek Sebnitz, zum Thema „Der 8. Mai 1945 – gegen die Umbewertung von Geschichte“. Einführende Gedanken äußern Hugo Jensch, Pirna (Mitautor des Buches „Heimat unterm Hakenkreuz“) und Hannes Schulz, VVN-BdA Sachsen.

Der PDS-Kreisvorstand ruft alle Mitglieder und Sympathisanten auf, an den zentralen Feierlichkeiten am 29. April in Sebnitz, insbesondere an der Wanderung auf der Teilstrecke des Todesmarsches nach Rugiswalde und an der zentralen Kundgebung auf dem Markt Sebnitz sowie an der Feierstunde am 8. Mai in Pirna teilzunehmen. Kontakt: 035971-53066 (Böhme)

Am Freitag, 29. April 2005 öffentliche Veranstaltungen; diese Initiativen sind inzwischen vom Landrat und der Kirche aufgegriffen worden und zur zentralen Veranstaltung des Landkreises erklärt worden.

14:00 - Schüler und Bürger laufen einen „Pilgerweg der Jugend“ von Sebnitz und Langburkersdorf nach Rugiswalde und weihen dort

15:00 - den erneuerten Gedenkstein zum Todesmarsch ein. Mit Ansprachen, Schülertexten, Musik, Niederlegen von weißen Rosen Anschließend fahren Busse die Teilnehmer nach Sebnitz und Neustadt zurück.

18:00 - Kundgebung auf dem Marktplatz in Sebnitz; Referat, Ansprachen von Zeitzeugen, Musik und Aufruf

20:00 - Gedenkgottesdienst in der ev. Kirche; mit Predigten u.a. des evangelischen Landesbischofs von Sachsen, Jochen Bohl Während der Kundgebung ist die Sebnitzer Innenstadt für den Autoverkehr gesperrt. Parkmöglichkeiten am Bahnhof.

Im Sebnitzer Heimatmuseum wird eine Ausstellung vorbereitet, die drei Schwerpunkte des Erinnerns und Gedenkens an das Kriegsende beinhaltet:
1. Todesmarsch  
2. Flüchtlinge zu Ende des Krieges
3. Vertreibungen/Aussiedlungen nach Kriegsende

Obwohl die Ausstellung voraussichtlich erst im Mai offiziell eingeweiht wird,  kann sie bereits ab den Veranstaltungstagen im April besucht werden. Die Spurensucher werden sich mit Fotos und Dokumenten am Ausstellungsteil über den Todesmarsch beteiligen.

Projekttage in Schulen zum Todesmarsch und zum Kriegsende.Verantwortlich zeichnet hier (zusammen mit den Lehrern) Pfarrer Joachim Rasch, Kirchstr. 7, 01855 Sebnitz, Tel. 035971-80510



Aufgenommen im Juni 2000 in Prag: Männer, die den Todesmarsch von Schwarzheide nach Theresienstadt überlebt haben. V.l.n.r.: Jaroslav Budlovský, Richard Svoboda, František Kraus, Jiří Franĕk, Otto Kraus, Miroslav Konečný, Josef Salus, Hanuš Goldscheider, Milan Platovský, Pavel Oliva, Zdenĕk Nettl, Oldřich Stránský, Jiří Lom, Hanuš Gärtner, Miloš Dobrý und Jiří Ehrmann. Sie gehören heute der „Vereinigung ehemaliger Häftlinge des Konzentrationslagers Schwarzheide“ / „Sdružení bývalých vĕzňů koncentračního tábora Schwarzheide“ an.
 
Fotoquelle: Zpráva Sdružení bývalých vĕzňů koncentračního tábora Schwarzheide, Ausgabe April 2001

 

Neue Literatur zum Thema  
Nun ist sie endlich erhältlich, die von Ute und Dietmar Näser erarbeitete „Dokumentation des Lehrpfades ‚Dem Schweigen entrissen’ zwischen Kamenz und Chřibská. Gedenkstätten, Tafeln und Grabstätten der Todeskolonne von Schwarzheide nach Theresienstadt vom 18. April 1945 bis 8. Mai 1945“, mit 38 Abbn. & sw-Fotos. Das Heft ist ab sofort bei der Redaktion oder bei den beiden Herausgebern zum Preis von 3 € erhältlich: Näser, Talstr. 56, D-01844 Rugiswalde, Tel. 03596-509743 oder - 508699

Der Kamenzer Historiker Dr. Dieter Rostowski hat gemeinsam mit der Hoyerswerdaer Pädagogin Marlies Röhle ein kleines 80-seitiges Büchlein mit 10 Abbildungen verfasst, verlegt in Königsbrück 2005: „Vom KZ-AL Niesky nach Brandhofen (Spohla) Warum ein Dorf bei Hoyerswerda 1945 ‚geschichtsträchtig’ wurde“. Im Mittelpunkt stehen die Resultate jüngster Forschungen über KZ, Zwangsarbeit und Todesmärsche in der Region zwischen Niesky und Hoyerswerda. Im Einzelnen untersuchen die Autoren das KZ-Außenlager Niesky, die Zwangsarbeit in der Gegend Hoyerswerda/ Wittichenau in der Schlussphase des Krieges sowie die Todesmärsche von KZ-Häftlingskolonnen aus dem KZ-Außenlager Niesky nach Brandhofen im Februar 1945 sowie die Märsche von dort in den Dresdener Raum bis Tschechien im April/ Mai 1945.

Wir wollen an dieser Stelle aus der Publikation die Aussage des Zeitzeugen Dr. Heinz Senenko wiedergeben, weil sie unsere Lebensskizze „in memoriam Dr. Heinz Senenko“ in diesem „Info“ viel anschaulicher ergänzt als jede Jahreszahl es vermag: „In der zweiten Aprilhälfte 1945 hatte uns der Frontenlärm um Kamenz-Großröhrsdorf in die Keller vertrieben. ‚Die Russen kommen!’ rief man erschreckt. Auf der Landstraße in Richtung Dresden rollten tatsächlich Panzer heran. Einschläge dröhnten. Später sahen wir, Panzergranaten hatten im Oberdorf Häuser zerstört. ’Am Chausseehaus’, so bezeichneten wir das Fischbacher Kreuz, ’liegen die Toten’, diese Botschaft ging wie ein Lauffeuer von Haus zu Haus. Wir machten uns auf den Weg dorthin. Niemals werde ich den Anblick vergessen. Im Bereich der Kreuzung lagen mehrere Tote in gestreifter Kleidung. Damals war dort Heinemanns Sandgrube. In der Einfahrt lagen zerquetschte Körper, die offensichtlich nach der Erschießung von Panzern überrollt worden waren. Nach dem Kriege wurden sie auf dem Friedhof in Fischbach bestattet, wo der Seeligstädter Bürgermeister, Martin Burkhardt, selbst KZ-Überlebender, die Trauerrede hielt.“ 


Der Titel ist zum Preis von 4 € in Niesky an folgenden Stellen zu haben: Museum, Comenius-Buchhandlung, Buchhandlung am Zinzendorfplatz, aber auch beim Autor: Tel. 03578-312260, di-ros@web.de. Bei Zusendung werden Kosten für Verpackung und Porto berechnet. Dr. Rostowski wird am 6. Mai 2005 in Niesky zur Thematik einen Vortrag halten.


Bereits in zweiter Auflage erscheint nun ein weiterer Titel Dieter Rostowskis: „Gewissensangst – Wie ehrbare Kamenzer sich im April/Mai 1945 um das Schicksal ihrer Stadt sorgten“ (151 S. mit 25 Abbn.; Preis 7 €; die vergriffene Erstauflage erschien in Königsbrück 2004). Diese Publikation weist im ersten Kapitel die Verfolgung der Andersdenkenden durch die Faschisten zwischen 1933 und 1945 im Kreis Kamenz nach, das zweite Kapitel befasst sich mit den Bemühungen Kamenzer Männer, die weiße Fahne zu hissen und die Stadt kampflos der Roten Armee zu übergeben. Der Leser erfährt, warum diese Aktion fehlschlug und welche Folgen das für die mutigen Akteure hatte...  

Erwähnt sei noch, dass der Autor auch auf den Todesmarsch von Schwarzheide nach Theresienstadt eingeht. Persönlichkeitsbilder verdienstvoller Kamenzer Bürger runden das Werk ab. Beide Publikationen sind in Kamenz erhältlich bei der SZ-Information, Am Klostertor, sowie bei der Stadtinformation, Pulsnitzer Straße; außerdem beim Verfasser.
     

 

in memoriam
Dr. Heinz Senenko
 

Heinz, am 12.5.1932 in Lauterbach bei Stolpen geboren, besuchte bis 1946 in Fischbach, wo er mit seinen beiden Brüdern aufwuchs, die 8klassige Volksschule und ging danach beim Kfz-Schlosser Paul Angermann in die Lehre. Seine Berufsschule in Stolpen attestierte ihm damals „eine aufgeweckte, lebhafte Natur“. Sein Vater Kurt S., Mitbegründer der KPD in Pirna, stellte sich als Kreispolizist dem Wiederaufbau ab 1945 in Fischbach zur Verfügung. Später war er Hauer bei der Wismut und Facharbeiter im Kunstseidenwerk Pirna. Seine Mutter Ida S., seit 1925 Mitglied der KPD, war bis zur ihrer Rente Arbeiterin im Betrieb Leuchtenbau Arnsdorf. Heinz, nunmehr Facharbeiter, verdiente seinen Lebensunterhalt zwar anderthalb Jahre als Kfz-Schlosser, büffelte aber nebenher noch für die Abendschule. Denn das Land suchte neue Lehrer. So besuchte er ab 1951 das Lehrerbildungsinstitut in Bischofswerda und wurde Pionierleiter und Unterstufenlehrer an die Oberschule Langburkersdorf. Danach übte er Funktionen in Sebnitz als Sekretär in der FDJ-Kreisleitung und im VEB Hebezeugwerk (ABUS) aus. Dort, im Jugendverband, lernte er die vier Jahre jüngere Christl Dittrich kennen. 1954 heirateten sie. Aus der Ehe gingen vier Söhne hervor. 1959 nahm er ein Studium an der Pädagogischen Hochschule in Dresden auf und bestand 1964 das Staatsexamen für Lehrer der 10-klassigen Oberschulen mit Auszeichnung und erwarb die Lehrbefähigung für die Fächer Deutsch und Geschichte. Seine Staatsexamensarbeit hatte er zum Thema „Kinderarbeit in der Kunstblumenindustrie von gestern“ vorgelegt. Später notierte er über diese Zeit: „Obgleich ich anfangs Schwierigkeiten hatte..., der Unterricht am Pädagogischen Institut eröffnete mir eine neue Welt. Jetzt wußte ich endgültig, daß mir der Lehrerberuf eine innere Erfüllung bringen könnte... Ich studierte mit Freude und Begeisterung in meinen Fachdisziplinen.“ Nach dem 2jährigem Direktstudium begann er 1961 als Oberstufenlehrer an der Oberschule Saupsdorf/ Hinterhermsdorf zu arbeiten, deren Direktor er schließlich 1966 werden sollte. Daneben hatte er noch über drei Jahre sein Fernstudium zu bewältigen. Sein Familienleben litt. Er sei kein Familienmensch, bescheinigten ihm viele. Die Ehe ging in die Brüche. Nach der Scheidung 1971 zog er zunächst nach Saupsdorf, ließ sich später aber in Hinterhermsdorf nieder. Hinterhermsdorf wurde ihm schließlich zur zweiten Heimat. Hier, in der alten Dorfmühle, sammelte er ab etwa 1974 Jugendliche um sich, um mit ihnen die Ortsgeschichte zu erforschen und zu dokumentieren.

1975 wurde ihm der „Dr.paed.“ (für pädagogische Psychologie) verliehen. 1978 rief man ihn an die Erweiterte Oberschule (EOS) nach Sebnitz. Dort führte er zweimal eine elfte Klasse bis zum Abitur. Eine seiner Schülerinnen erinnerte sich: „Ich hatte in der 11. Klasse im Wahlpflichtunterricht ‚Ausgewählte Werke der Weltliteratur’ belegt... Dort mussten wir uns ein Buch auswählen, es dann zu Hause lesen und anschließend im regulären Deutschunterricht eine Lesung dazu abhalten. Bei dieser Lesung hat mich dein Vater [gemeint ist Heinz Senenko] auf Martin Andersen Nexö hingewiesen. Damals hatte er damit genau meinen Nerv getroffen. Ich habe sofort alles verschlungen, was von Nexö zu haben war und wir haben von Zeit zu Zeit darüber gesprochen. Meinen Abiaufsatz habe ich zu Nexös ‚Ditte Menschenkind’ geschrieben, eine Riesenschwarte, und ich habe mich dabei ziemlich verzettelt. Dein Vater hat mir eine ‚2’ gegeben und sich im Anschluss die Zeit genommen, um mir zu erklären warum.  Damals konnte ich ihn besonders gut leiden, weil er uns Jugendliche immer ernst genommen hat, ohne uns sofort politisch zu beeinflussen.“  

1983 kam Heinz dann zur Gewerkschaft Unterricht und Erziehung, lehrte nebenbei als Dozent an der Pädagogischen Hochschule Dresden und wirkte dort in der Forschungsgruppe Psychodiagnostik mit. Mit der Auflösung seiner Gewerkschaft wurde er am 1.8.1990 arbeitslos und ließ sich schließlich zum Fahrlehrer ausbilden. Nachdem er sich in all möglichen Berufen erfolglos beworben hatte, fand der Sechzigjährige ab 1992 kurzzeitig in Dresden und danach über volle zwei Jahre in Darmstadt eine Anstellung in seinem neuen Beruf. In Darmstadt fand er Freunde fürs Leben. Trotz des mühseligen Daseins eines Wochenendpendlers sprach er danach immer mit Begeisterung von seiner Zeit in Hessen. Während seiner Abwesenheit verunglückte im 550 Km entfernten Zuhause seine Lebensgefährtin Marianne Rudolph tödlich. Von diesem Schlag hat er sich nie erholt. Obendrein musste er 1997, seit zwei Jahren Rentner, das Haus seiner Lebensgefährtin verlassen. Er bezog in Sebnitz eine Mietwohnung. Einen besseren Standort hätte er, dort in der Böhmischen Straße, nicht wählen können, nur wenige Meter von der sächsisch-böhmischen Grenze entfernt. Seine Adresse wurde zum Programm. Von hier aus startete er alle seine Unternehmungen auf sächsischer oder tschechischer Seite. Noch im selben Jahr fand er im Salmov bei Mikulášovice ein Sommerhaus, das zum Stützpunkt auf tschechischem Gebiet wurde. Dort trafen sich die Spurensucher, dort
übernachteten seine häufigen Gäste. So fasste er in Sebnitz und Salmov nicht nur rasch Fuß, sondern setzte seine Arbeit beiderseits der Grenze  noch effektiver fort.  

Die Erforschung des Todesmarsches der Schwarzheide-Häftlinge vom April/ Mai 1945, die zahlreichen Interviews mit überlebenden Antifaschisten und mit den Angehöriger ermordeter Widerstandskämpfer aus unserer Region und die grenzübergreifende, ja internationale Arbeit der Spurensucher sind das bleibende Verdienst seiner Gruppe. Mit den Gedenktafeln zum Todesmarsch hat er sich und seinen Mitarbeitern ein Denkmal gesetzt. Auch in den letzten Jahren haben die Spurensucher immer wieder auf sich aufmerksam gemacht, sei es durch Gedenkveranstaltungen, durch Zeitungsartikel, durch Begegnungen mit antifaschistischen Veteranen, mit ehemaligen KZ-Häftlingen und Spanienkämpfern, durch Exkursionen nach Duchcov/ Dux, an den Bodensee und nach Wien, durch ihre Wortmeldungen auf Konferenzen und Treffen. Da stand ihm besonders der heute 28jährige Milan Bilý aus Šluknov zur Seite, dessen Roma-Großvater Demeter Bilý von den Nazis aus rassischen Gründen umgebracht worden ist. Überhaupt ist die Arbeit der letzten zehn Jahre auch durch Milans Mitarbeit geprägt. Vergessen wir aber nicht die anderen Mitstreiter in Nordböhmen und Sachsen: den 76jährigen Nikolaj Chomenko aus Salmov, den 24jährigen Lars Schubert aus Chemnitz, Welly Hempel aus Hinterhermsdorf (die im September 90 wird)! Alle sie seien hier nur stellvertretend genannt. Das Nebeneinander von Alt und Jung war und ist in der Gruppe eine Selbstverständlichkeit. Es gibt den 91jährigen Ehrenvorsitzenden der Gruppe, Jiří Lom aus Prag, und unsere beiden Spanienkrieg-Veteranen, einen ehem. Zwangsarbeiter aus Belorussland, einige ehem. Häftlinge aus Tschechien, Israel und Frankreich, die am Todesmarsch teilgenommen hatten, die Angehörigen von Widerstandskämpfern und andere. Sie stehen neben „jungen Hüpfern“ aus unserer tschechisch-sächsischen Grenzregion, aus Chemnitz, aus Hessen und Hamburg.
 

Das Durchschnittsalter liegt in der Gruppe bei 55 Jahren, eines der niedrigsten in den Ortsgruppen der sächsischen VVN-BdA, wo der Durchschnitt bereits 81 Jahre zählt.
Heinz war zuweilen kein bequemer Partner. Manch einen Mitstreiter hat er verärgert, sich zu oft verrannt. Selbst in kleinen Dingen wollte er mit dem Kopf durch die Wand. Diese Verbissenheit hat ihn viel Kraft gekostet und war wohl auch eine Ursache für den Krebs, den die Ärzte bereits 2001 diagnostiziert hatten. Aber mit seiner schlagfertigen, humorvollen Art und seinem rastlosen Tatendrang hat er viele Menschen in seinen Bann gezogen. Er verstand es zu begeistern, er verstand es, die Menschen zu interessieren und an seinen Vorhaben zu beteiligen. Manche der Jugendlichen aus seiner „Schule“ von einst sind dem Thema und dem Anliegen treu geblieben. -- „Halt’ keine Referate, fass lieber mit an!“ würde er mir jetzt zurufen, schon wieder auf dem Sprung. Wie immer.  

        Weitere Nachrufe auf Heinz Senenko sind erschienen in den Deutsch-Tschechischen Nachrichten Nr. 64 vom 28. Februar 2005 (Verf. Renate Hennecke) und in der Februar-Ausgabe des Mikulášovický zpravodaj“ (Verf. Nikolaj Chomenko).


Kurze Geschichte der Spurensucher
“Herausgefordert hat mich, als jemand sagte, junge Leute interessieren sich nicht für Geschichte. Diese sei ohnehin nur an den Brennpunkten, zum Beispiel in Berlin, nachforschenswert.“ Heinz Senenko wollte den Gegenbeweis antreten. Die Arbeiterbewegung habe überall ihre Spuren hinterlassen, konterte er! Sein Konzept vertrat er nicht nur auf Konferenzen und in der „Deutschen Lehrerzeitung“. Er praktizierte es. Die AG „Junge Historiker“, wie sich die 1974/ 75 gebildete Gruppe nannte, war erfolgreich. Sie trug Informationen zusammen, befragte Dorfbewohner, fotografierte, dokumentierte und gab schließlich Broschüren zur Geschichte von Hinterhermsdorf und Saupsdorf heraus. Bei Recherchen zur Ortschronik von Saupsdorf stieß die Gruppe auf undurchsichtige Vorgänge im Jahr 1945. Es war allgemein bekannt, dass Häftlinge 1945 durch den Ort getrieben worden sind. Doch etwas genaues wusste niemand. Also ließ die Gruppe in der Presse Aufrufe ergehen. Es war knifflig, zumal sich die Wege einiger Todesmärsche kreuzten. Doch die Gruppe konnte einige Teilnehmer ausfindig machen. – Mit diesen Forschungen erfuhr die Gruppe zweifellos die größte Resonanz. Das zeigten auch die nachfolgenden Konferenzen, Publikationen und der 1987 eingeweihte Lehrpfad zum Todesmarsch. Die 17 steinernen Gedenktafeln von Bischofswerda bis zur Grenze bei Hinterhermsdorf stehen (oder hängen) heute noch, auch wenn der Erhalt und die Sicherung so mancher Platte von einigen Zeitgenossen nicht mehr gern gesehen wird. Das Thema Todesmarsch hat Heinz nicht mehr losgelassen; mit vielen Überlebenden (ebenso mit einigen alten Widerstandskämpfern) hat er bis zu seinem Tode einen äußerst regen Briefwechsel geführt, mit Jiří Horský, mit Jarmila Kafková, mit Jiří Franĕk, mit Gilbert Dupaud, mit Richard Svoboda und anderen. Seit er sie vor drei Jahrzehnten kennenlernte, hat er sie immer wieder aufgesucht oder sie zu Begegnungen und Gedenkveranstaltungen nach Sachsen eingeladen. Bis zuletzt. Sieben von ihnen sind heute Ehrenmitglieder der Gruppe.

Auch die Gedenkfahrt der Überlebenden der Todeskolonne im April 2005 nach Sebnitz, Schwarzheide, Kamenz und Saupsdorf hat er selbstverständlich mit angeregt und vorbereitet. Die Zeiten haben sich gewandelt. Die Gruppe hat sich nach der Wende in „Spurensucher“ umgetauft, doch ihr Charakter als Korrespondenzzirkel, bestehend aus (korrespondierenden und ortsansässigen) Mitgliedern und Sympathisanten, ist geblieben. Heinz hat es nach der Wende verstanden, trotz der um sich greifenden Desorientierung für die Gruppe zahlreiche neue Mitglieder zu gewinnen. So zählte die Gruppe vor seinem Ableben 29 Mitglieder, 7 Ehrenmitglieder, verstärkt um 68 Personen aus dem Freundeskreis. Alle sie erhielten 6- bis 8mal jährlich das von Heinz maschinenschriftlich verfertigte „Info“, das in einem etwas gewöhnungsbedürftigen Telegrammstil über das Gruppenleben informierte. Das Besondere an den Spurensuchern aber war und ist ihre praktizierte Internationalität. 14 der insgesamt 36 Mitglieder sind tschechische Freunde. Außerdem gehören ein Ungar, ein Israeli, ein Franzose und ein Belorusse zur Gruppe.  


Bibliografische Übersicht  
über die von der AG Junger Historiker herausgegebenen Publikationen (unvollständig):
Die mit * gekennzeichneten Hefte sind gegen eine Spende von 3 € beim Vorstand erhältlich.

Lektüre für Spurensucher
Schindler, Joachim: Dem Vergessen entrissen: Dresdner Wanderer und Bergsteiger im antifaschistischen Widerstand. in: Deutsch-Tschechische Nachrichten; Nr. 63, 14. Januar 2005. Bestellbar für 1,50 € (+ Porto) beim GNN-Verlag Süd, 70327 Stuttgart, Stubaier Str. 2, Fax 0711-621532, stuttgart@gnn-verlag.com

Weinhold, Barbara: Eine trotzkistische Bergsteigergruppe aus Dresden im Widerstand gegen den Faschismus. Neuer ISP Verlag Köln 2004, 236 S., mit Fotos, 21 €. Eine kurze Rezension dieses Buches findet sich auch in der vorgenannten DTN-Ausgabe auf S. 15

Ruscher, Heinz: Zwischen Kirnitzsch und Wesenitz, Band 2: Eine Region und ihre Menschen in der Zeit der Weimarer Republik 1919-1933. Pößneck 2004, 153 S., mit 25 Abbn., 9,90 €, erhältlich in der Buchhandlung am Marktplatz Sebnitz, 01855 Sebnitz, Tel. 035971-53567, Fax - 51563  

Unsere Heimat unterm Hakenkreuz – Ein Beitrag zu nationalsozialistischer Gewaltherrschaft, Verfolgung und antifaschistischem Widerstand in Amtshauptmannschaft und Kreis Pirna von 1933 bis 1945. Erarbeitet von Boris Böhm, Günter Endler, Rudolf Hajny, Hugo Jensch, Günter Kosmol, Heinz Ruscher. Pirna 2003, 368 S., zahlreiche Abbn., 15 €, erhältlich in Buchhandlungen in Pirna, Heidenau und Königstein, in den Heimatmuseen Sebnitz, Stolpen und Pirna, in den Naturfreundehäusern Hohnstein (Jugendburg) und Königstein-Halbestadt, in den Pirnaer Kreisvorständen der PDS, SPD und der Urania, in der Euthanasie-Gedenkstätte Pirna-Sonnenstein sowie beim VVN-BdA-Kreisvorstand Pirna (Sonja Pick 03501-781526).  

Schindler, Joachim (Hg.): Zur Arbeit und zum Nachkriegsschicksal der sechs Dresdner sowie weiterer sächsischer Alpenvereinssektionen. Geschichtskonferenz der Interessengemeinschaft Sächsische Bergsteigergeschichte am Samstag, dem 19. Februar 2005 in Dresden als Beitrag zum Projekt des Alpenvereins „Geschichte des DAV nach 1945“.  
Hgg. von Joachim Schindler, Interessengemeinschaft Sächsische Bergsteigergeschichte. Wissenschaftliche Alpenvereinshefte, hgg. vom Deutschen und Österreichischen Alpenverein, Heft 40, München 2005.
Dieser Konferenzband, der im Dezember erscheinen soll, wird zahlreiche Vorträge und schriftlich eingereichte Beiträge zur sächsischen Bergsteigergeschichte enthalten (der Titel „Zur Arbeit...“ ist irreführend, es müsste „Geschichte“ heißen), darunter auch zwei Vorträge von Joachim Schindler zur Geschichte der Alpenvereinszweige „Sächsischer Bergsteigerbund“ und „Meißner Hochland“ bis 1945 und über deren Auflösung nach 1945, sowie über die „Lebensstationen der jüdischen Dresdner Bergsteigerin Ilse Frischmann“, das sehr beeindruckende Lebensbild einer  leidgeprüften, über achtzigjährigen Bergsportlerin. Ein umfangreicher Anhang mit Dokumenten, Kurzbiografien, Konferenzfotos, Literaturverzeichnis usw. wird den Sammelband beschließen. Zu beziehen ist er
über den Herausgeber Joachim Schindler, Prohliser Str. 24, 01237 Dresden, Tel. 0351-4901331, agata-achim@t-online.de
 

Die in Hagen ansässige Čapek-Gesellschaft bietet eine durch ihren Vorsitzenden Dr. Ulrich Grochtmann verfasste und durch den Asta der Geschwister-Scholl-Universität München hgg. Dokumentation und Studie „München 1938/ März 1939“ zum Preis von 17 € an. Dieses aufschlussreiche Werk berücksichtigt keineswegs nur die Vorkriegsentwicklung, sondern besticht durch die kritische Rezeption der zeitgenössischen Presse (und schöpft dabei aus dem vorzüglichen Zeitungsarchiv der Čapek-Gesellschaft), der politischen Publizistik, der Fachliteratur (darunter auch viele jüngere tschechische Arbeiten) und durch die Auseinandersetzung mit den Nachkriegspolitik der Vertriebenenverbände einschließlich sozialdemokratischer Positionen von Wenzel Jaksch bis Peter Glotz und Otto Schily. Auch jüngste Entwicklungen, so die Diskussion um die Beneš-Dekrete, um das „Zentrum für Vertreibungen“ und die Eröffnung der „SL-Botschaft“ in Prag, erörtert Grochtmann. Ein wirklich anregende Lektüre! Bereichert wird die Doku durch Faksimiles von zeitgenössischen Presseorganen der ČSR.
Grochtmann, Ulrich: München 1938/ März 1939. Hintergründe, Ereignisse, Folgen. Ereignisse und Entwicklungen vor, während und nach dem Zweiten Weltkrieg. Ein Beitrag zum Thema „Deutsche und Tschechen im 20. Jahrhundert“; München und Hagen 2004, 327 S. A4, mit zahlreichen Faks., Preis 17 € + Versandkosten, erhältlich bei der Čapek-Gesellschaft, Gerhart-Hauptmann-Str. 4, 58093 Hagen, Tel. 02331-54028


Replik
Dereinst nur blühende Landschaften
Die Februar-Ausgabe des im bayrischen Backnang herausgegebenen Vertriebenenblättls „Unser Niederland“ (UN), das sich für den Schluckenauer Zipfel „landsmannschaftlich“ zuständig fühlt, druckte einen landeskundlich-historischen Beitrag über den zu Mikulášovice gehörigen Ortsteil Salmov ab. Man fragt sich beim Lesen unwillkürlich, welcher Gesellschaftsschicht der Verfasser Dr. Josef Grohmann eigentlich angehört haben mag, dass sein Rückblick derart idyllisierend-schwärmerisch geriet. Mit der Wahrheit hat das nichts zu tun. Aber was geht uns die Beschränktheit von Berufsvertriebenen an? Eine historische Beschränktheit, die gewollt ist und den politischen Motiven der Sudetendeutschen Landsmannschaft folgt.  

Wir wollen aber Dr. Grohmanns sonnige Rückblenden unseren Lesern nicht vorenthalten. Es ist ihm bereits in der ersten Spalte ein Bedürfnis festzustellen, dass im Jahr 1945 mit einer Ausnahme alle 140 Einwohner deutschen Ursprungs waren. Denn blutmäßig muss das klar sein, damit keiner auf die Idee kommt nachzuprüfen, was eigentlich sozial (!) im paradiesischen Niederland lief. Immer schwingt in solchen landsmännisch-ethnischen Formeln der Tenor mit, dass Tschechen zwar – o’gott’naja – auch Menschen sind, man sie aber eigentlich nur brauche, um heuer in gemeinsamen Gottesdiensten die Versöhnung einzumahnen. Wie sich Grohmann & Co. die Versöhnung praktisch vorstellen, wenn der Gottesdienst vorüber ist, das erfährt man alljährlich zu Pfingsten in Bayern und gleich anschließend in der UN. Aber dies nur nebenbei. „Die Einwohner von Salmdorf“, so also Dr. Grohmann über die 30er Jahre, „führten ein reges Gemeinschaftsleben, waren natur- und ortsverbunden, pflegten enge nachbarschaftliche Kontakte und gegenseitige Hilfe, waren gesellig, bescheiden, genügsam, arbeitsam und gottesfürchtig. Sie führten eher ein unauffälliges, ruhiges, ausgeglichenes und zufriedenes Leben.“ Kurzum: Sie hätten sich „wohl und geborgen“ gefühlt. Wahrscheinlich lässt ja Dr. Grohmann seine ungetrübten Kindheitserinnerungen vor seinem geistigen Auge vorüberziehen, wenn er solcherart zu Papier bringt. Wir wissen es nicht. Abschließend resümiert er: „Heute ist freilich von dem einstigen idyllischen Leben zufriedener Salmdorfer nichts mehr zu spüren ... so dass der Exitus dieses einst blühenden deutschen Ortes vorprogrammiert ist. Der Untergang kann nur noch eine Frage der Zeit sein.“

Auch unser Mitglied Nikolaj Chomenko, der selbst in Salmdorf/ Salmov wohnt, hat Dr. Grohmanns Artikel gelesen. In einem Brief an die UN-Redaktion, den wir hier in Auszügen wiedergeben, versucht er, dem wehmütigen Doktor durch ein wenig Rückbesinnung auf die Tatsachen Trost zu spenden.  


Liebe Redaktion!

(...) Im Februar 2005 hat Dr. Grohmann [in Ihrer Zeitschrift] über Salmdorf bei Nixdorf geschrieben sowie über die Schwarze Mühle in Salmdorf. (...) Ich lebe im Schluckenauer Zipfel schon sechzig Jahre und ich will auch in diesem Teil Böhmens sterben. Ich bin kein Deutscher, ich bin halb Tscheche, halb Russe. Meine politische Ansicht ist internationalistisch. (...) Ich habe mir in Salmdorf ein neues Haus gebaut und in diesem wohne ich schon sieben Jahre. Viele Deutsche aus Deutschland kommen zu mir und wollen wissen, wie das hier früher war, da sie alle später geboren sind. Über die Historie des ehemaligen Bezirkes Schluckenau habe ich zwei Jahre lang in der "Schluckenauer Zeitung" [so der aus dem Tschechischen übersetzte Titel] geschrieben. Darum kann ich sagen, dass ich schon eine gute Übersicht habe. Dr. Josef Grohmann ist kein Historiker, er ist Advokat. Er hatte nur wenige Informationen und viele davon waren falsch. Als Beispiel zwei Punkte: Im Jahre 1850 lebten in Salmdorf über 500 Leute, im Jahre 1910 schreibt die österreichische Statistik von 331 Bewohnern. Im Jahre 1945, so Dr. Grohmann, waren es 140 Einwohner, heute nur acht. Das ist aber nicht die Wahrheit. Heute sind wir 12 Einwohner: 3 Sudetendeutsche und 9 Tschechen sowie 9 Hunde. Vor 100 Jahren waren in der Landwirtschaft Salmdorfs 205 Menschen beschäftigt. Heute benötigen wir auf 1000 Hektar ganze 2 Traktoristen ohne Hilfsarbeiter. Früher arbeiteten im Walde
zehn Holzschläger. Heute kommt ein Mann mit dem Auto aus  Schluckenau mit der Motorsäge und schafft soviel Arbeit, wie früher 10 mit der Handsäge. Dr. Grohmann weint, dass so wenig Menschen hier leben. Jedoch ist hier ein sehr schlechter Boden, und der Ertrag war sehr niedrig. Schon vor 100 Jahren haben die Salmdorfer Bauern fast die Hälfte der Felder und Wiesen mit Fichten besetzt. Im Jahre 1850 gab es in Salmdorf 47 Häuser. Im Jahre 1945 waren es 49. Bei den zwei neuen handelte es sich um die Schule und die Manufakturstrickerei.  Innerhalb von 100 Jahren hat man also keine Wohnhäuser gebaut. Wir Tschechen haben binnen 30 Jahren schon zehn Häuser und Hütten errichtet. Wo einst die mit Strohdach gedeckte Schwarze Mühle stand, dort steht jetzt ein neues schönes Gebäude. Es würde auch keine Schande machen, wenn es  in den Alpen oder in der Schweiz stünde.

Von 1850 bis 1945 ist die kapitalistische Industrie gewachsen, und die Leute haben dort mehr Geld verdient als in der armen Landwirtschaft. Darum sind keine neuen Häuser in Dörfern gebaut worden. (...) Als wir 1945 hierher gekommen sind, war Rumburg ein größeres Dorf, wo die Bauern mit Kühen ihren Mist über den Marktplatz auf das Feld gefahren haben. Und heute ist Rumburg eine schöne moderne Stadt, wo dreimal mehr Menschen leben als im Jahre 1945. (...)

Salmdorf, 28.3.05       Nikolaj Chomenko

Deutsch-Tschechische Nachrichten
Die nächste Ausgabe der DTN erscheint Mitte April. Schwerpunkte des Heftes sind die Situation nach dem Parteitag der tschechischen Sozialdemokraten und dem überstandenen Misstrauensvotum von Premier Gross, Informationen über die "Schirmherrschaftsminister/ innen" der Sudetendeutschen Landsmanschaft im bayerischen Arbeitsministerium und natürlich der 60. Jahrestag der Befreiung. Desweiteren gibt es Hinweise auf interessante Bücher und Veranstaltungen.
Die 8mal jährlich vom „Setkání – Treffen deutscher und tschechischer Linker“ seit 1998 herausgegebenen DTN sind beziehbar im Jahresabo für 17,50 € beim GNN-Verlag Süd, 70327 Stuttgart, Stubaier Str. 2, Fax 0711-621532, stuttgart@gnn-verlag. com. Probeheft gratis.

KRUH
Im Jahr 1938 vertrieb Hitler 140.000 bis 170.000 tschechoslowakische Staatsbürger (unter ihnen viele sudetendeutsche Antifaschisten) aus den annektierten deutschsprachigen Grenzgebieten ins Landesinnere der ČSR. Der tschechische Verband „Kruh občanů České republiky vyhnaných v roce 1938 z pohraničí“, zu deutsch „Kreis der im Jahre 1938 aus dem Grenzgebiet vertriebenen Bürger der Tschechischen Republik“, entstand anlässlich des 75. Gründungstages der ČSR am 28. 10. 1993 in Prag. Mit 1.300 Mitgliedern vertritt er die Interessen der von Henlein und Hitler vertriebenen Staatsbürger. Er gibt seit 1995 ein Informationsblatt heraus, das 2mal jährlich in tschechisch (im Umfang von jew.16-20 S. A5) unter dem Titel „Zprávy z KRUHU“ erscheint und erhältlich ist bei PhDr. Pavel Macháček, Pujmanové 1/870, CZ-140 00 Praha 4, Tel. 00420-241731271, janskyj@post.cz oder bei Jiří Prokop: jiri_prokop@yahoo.com 


Aus dem Fotoarchiv der Spurensucher
Vor 60 Jahren: Tschechischer Maiaufstand

Am 5. Mai 1945 erreicht der Maiaufstand des tschechischen Volkes die Protektoratshauptstadt Prag. Nahezu 100.000 Aufständische beteiligen sich an dieser Erhebung. Nach anfänglichen Erfolgen gewinnen jedoch Wehrmachts- und SS-Einheiten durch ihr brutales Vorgehen zeitweise die Initiative zurück, dringen mit Panzern und Flugzeugen zum Stadtzentrum vor und richteten unter der Bevölkerung ein Blutbad an. Sie zerstören viele Gebäude, u.a. den Ostflügel des historischen Altstädter Rathauses (letzteres bekannt durch seine astronomische Aposteluhr. Mit diesem Gemäuer gehen das unersetzliche Stadtarchiv, die älteste Glocke Böhmens und andere Kulturgüter in den Flammen unter). Wie der verstorbene Schriftsteller Bernt Engelmann 1987 in der erweiterten Neuauflage seines Buches „Großes Bundesverdienstkreuz mit Stern" berichtet, ist nach allen vorliegenden Indizien der 30jährige SS-Offizier Hanns Martin Schleyer verantwortlich für eines der Massaker in der Innenstadt. 41 unbewaffnete Männer, Kinder unter drei Jahren und Frauen (darunter zwei Hochschwangere) sind die Opfer seiner Erschießungen am 6. Mai. In der Bundesrepublik avancierte er 1973 zum Arbeitgeber-Präsident. Er sei tatsächlich ,,ein SS-Haudegen, ein toller Hecht, auch der letzte Kampfkommandant von Prag gewesen", äußerte Schleyer freimütig in einem Gespräch mit Engelmann, ohne konkret zu werden.

[Fotos nur in der Printausgabe]




Tipps & Termine
24. April 2005:
Gedenken in Pístov

Seit 1989 nehmen Herbert Böhme und seine Kameraden von der VVN-Ortsgruppe Aue alljährlich an der („Manifest“ genannten) tschechischen Gedenkveranstaltung teil. Sie gilt den 68 in Pístov von den Nazis am 21. April 1945 wie Vieh erschlagenen und verscharrten Häftlinge des Todesmarsches aus dem KZ Flossenbürg, Nebenlager Lengenfeld Dieser Marsch führte von Lengenfeld über Karlsbad nach Bor. Unter den 1946 exhumierten Opfern fand man Landsleute aus Polen, Italien, Jugoslawien, Belgien, Ungarn, Deutschland und aus der ČSR. Zu den neu beigesetzten Leichen kamen noch die sterblichen Überreste von zwei englischen Fliegern, die nach dem Absprung aus ihrem brennenden Flugzeug von deutschen Anwohnern ermordet worden sind. Der kleine Ort Pístov mit der Gedenkstätte liegt südöstlich von Mariánské Láznĕ (Marienbad). Kontakt: 03771-731934 (H. Böhme)
oder – 52571 (Gressel)

Riesengebirgstreffen
Am 27. August 2005 findet in Malá Úpa (Kleinaupa) das traditionsreiche Antifa-Treffen im Riesengebirge/ Krkonoše statt. Direkt auf dem Grenzverlauf treffen sich ab 9 Uhr Antifaschisten aus mehreren Ländern, vorrangig aus Tschechien, Polen und Deutschland, zu einer kleinen Kundgebung (im Jahr 2004 reisten 200 Freunde an). Danach findet ein Forum zu politischen Themen statt; parallel dazu brechen viele Freunde zu dem traditionellen mehrstündigen Marsch zur Schneekoppe auf. Zu empfehlen ist eine Anreise am Vorabend. Im Ort findet man bereits ab 10 € pro Nacht ein Quartier.  

Diese alljährliche Begegnung gibt es bereits – mit Unterbrechungen – seit 83 Jahren. Zwischen 1922 und 1933 bekundeten solche Treffen an der Schneekoppe die grenzübergreifende Solidarität. Am 26. Juli 1927 begrüßten mehrere tausend Teilnehmer nach einem schwierigen Nachtmarsch auf dem Gipfel der Schneekoppe den Sonnenaufgang mit dem Gesang der Internationale. Bei der anschließenden Kundgebung sprachen an der Wiesenbaude u.a. Ernst Thälmann (unter dem Decknamen Kraft) und Fred Oelsner vor 2500 tschechischen und deutschen Linken. Die Solidarität mit der Sowjetunion und der Kampf gegen das Massenelend standen damals im Mittelpunkt. Bei dieser Kundgebung erhielten die tschechischen von den deutschen Genossen eine Fahne überreicht. Noch heute begleitet dieses Tuch den Kreisverband der KSČM zu den jährlichen Traditionstreffen und auch zu den Januar-Gedenkveranstaltungen für Rosa und Karl in Berlin-Friedrichsfelde, an der die Trutnover Genossen teilnehmen. Beim letzten Riesengebirgstreffen nach dem Machtantritt Hitlers, im März 1933 nach dem Reichstagsbrand, unterstützten tschechische Teilnehmer von der Verhaftung bedrohte deutsche Antifaschisten bei der Flucht in unser Nachbarland.

Seit 1972 erinnerte ein Denkmal in Malá Úpa bei der Grenzbaude an diese Treffen. Nach der „samtenen Revolution“ wurde es 1994 wieder entfernt. Der Fortsetzung der Tradition stand das allerdings nicht im Wege.
(Einige Passagen des vorstehenden Textes wurden entnommen dem Mitteilungsblatt des PDS-Stadtverbands Leipzig vom 16. Juni 2003)

Den aktuellsten Kenntnisstand zur Vorbereitung des alljährlichen Traditionstreffens bietet die Webseite http://www.sfelr.im-osten.de/ spätestens einen Monat vor Termin.
Kontakt: Landes-AG Internationale Arbeit der PDS-Brandenburg, Hans-Peter Schömmel (Cottbus), Tel. 0355-861017, schoemmel@t-online.de

Freundeskreis des Kunstblumen- und Heimatmuseums Sebnitz
Der Freundeskreis ist im April an den Vorbereitungen der Gedenkveranstaltungen in Sebnitz zum 60. Jahrestag der Befreiung beteiligt. Zur nächsten eigenständigen Veranstaltung lädt die Gruppe dann wieder am 19. Mai, 18:30 Uhr, in das Nationalparkhaus Bad Schandau, Dresdner Str. 2 B, zu einem Vortrag Frank Richters über den Maler Ludwig Richter (1803-1884) ein. Kontakt: 035971-52450 (Herbert Bergmann)

Herbert Böhme 75
Am 17. April feiert unser Freund Herbert Böhme von der Aktionsgemeinschaft der VVN-BdA Aue/ Schwarzenberg zu seinem 75. Geburtstag. Mit Herbert verbindet uns eine enge Freundschaft, die bis in die 70er Jahre zurückreicht, als die Vorläufergruppe der Spurensucher, die AG Junge Historiker, die Biografie seines Vaters, des Sebnitzer Kommunisten und Widerstandskämpfers Martin Böhme (1894-1968), erkundet und aufgezeichnet hatte. Das Foto zeigt Herbert Böhme bei der Namensgebung des Sebnitzer Pionierhauses nach seinem Vater vor mehr als 20 Jahren. Mit dem Umzug dieser Einrichtung nach der Wende verschwand auch der Name.
Herbert, die Spurensucher gratulieren zum Jubiläum und wünschen dir alles Gute und noch viel Kraft! 

   

Borgen bringt Sorgen
Eine Kurzgeschichte von Paul Bauer

   
„Borgen bringt Sorgen“, sagte meine Mutter immer. Obwohl an meinen Vater gerichtet, galt es auch mir. Ich sollte nicht der gleiche Bruder Leichtsinn werden. Meine Eltern zählten zu den armen Leuten im Dorf, aber das strenge Regime meiner Mutter hielt das wenige Geld zusammen. Dadurch besaßen sie eben mehr als andere, denen selbst größere Summen wie Sand durch die Finger rannen. Wenn mein Vater nun einem noch ärmeren Schlucker eine kleine oder etwas größere Summe borgte, dann nicht etwa um anzugeben. Nein, ihn plagte das Mitleid und er konnte einfach nicht nein sagen. Natürlich ging es nicht um Zinsen oder gar Wucher, erst zu späterer Zeit ließ er sich auf einem Schmierzettel, der gerade zur Hand war, wenigstens den Erhalt der Summe bestätigen.

Ich selbst ließ mich in jungen Jahren, also zu DDR-Zeiten, nie auf so eine Sache ein. Das kam erst nach der Wende. Auf Pump, mit „geborgtem“ Geld kaufen kam in Mode. Rechnungen oder Schulden nicht bezahlen ebenso. Und noch etwas ergab sich, besonders für uns an der Grenze zu Tschechien und Polen. Waren wir für die einen die armen Brüder im Osten, so wurden wir parallel dazu für die anderen die reichen Nachbarn im Westen. So erwischte es schließlich auch mich.

Ich hatte durch die Zusammenarbeit mit unserer tschechischen Partner-Feuerwehr plötzlich Bekannte und dann sogar Freunde auf der anderen Seite. Ich kann dir sagen, der Wessi hat eine andere Mentalität als wir, aber die Tschechen auch.

Bei Karel und Jirka – die haben in der Feuerwehr ungefähr die gleiche Funktion wie ich – merkte ich das übrigens erst viel später als bei den Wessis. Weder fielen sie durch die Bekleidung auf, von der Vorliebe zum Trainingsanzug mal abgesehen, noch durch besondere Eitelkeiten. Selbst beim Trinken sind wir uns ähnlich.

Doch dann kam Karel zu mir. Er hatte die Arbeit verloren – ich hatte glücklicherweise noch welche – und seine Frau bekam das zweite Kind, ging nun auch nicht mehr arbeiten. Es war Winter, kein Geld für Kohlen da und das dritte Mal wollte er die Schwiegereltern nicht anpumpen. Da konnte man nicht nein sagen. Außerdem hatte er noch Außenstände und in spätestens 3 Monaten würde ich das Geld zurück haben. Wir trafen uns auch weiterhin. Erst als ich nach vier Monaten vorsichtig nachfragte, wurde er traurig, bat um Aufschub. Die Waschmaschine war kaputt gegangen und der alte Škoda auch, jetzt bei zwei Kindern ging das eine vor das andere. Ich gewährte ihm die 2 Monate Aufschub. Was blieb mir übrig?

Bei Jirka war das anders. Er sammelte wie ich Briefmarken. Wie ich war er geschieden. Und auch er hatte wie Karel ein kleines Kind. Sein kleiner Laden hielt nur mit Mühe der Übermacht der vietnamesischen Händler stand. Das Fiasko kündigte sich an, als das Finanzamt eine größere Nachzahlung verlangte, die eigentlich auf seine geschiedene Frau zurück ging. Ich saß in seiner Wohnung, als die Alimenten-Forderung nicht mehr die Post, sondern die Polizei brachte. Die Polizisten hatten kaum das Haus verlassen, als ein Außendienstler der Energieversorgung den Strom abschaltete. Da musste ich doch eingreifen, wenn auch schweren Herzens. Mit viel Geschick versuchte ich meiner Frau die Summe zu erklären, die nötig gewesen war – vergebens. Sie schaltete mehr als ein Verbindungskabel ab. Es dauerte ewig, bis eine Überbrückung gelang. Und die nie vollständig. Trotzdem war ich bei meiner Frau immer noch erfolgreicher als bei Karel und Jirka. Der erste ließ sich zunächst von seiner Frau verleugnen, dann ließ er mich gar nicht mehr ins Haus. Als ich mich an seinen Hauptmann um Hilfe wandte, erfuhr ich, dass Karel selbst welche brauchte. Man hatte ihn beim Schleusen erwischt. Für 150 Euro war er der Dumme, der die Grenze mit vier Vietnamesen überqueren sollte. Nun saß er in Bautzen in U-Haft, während die Auftraggeber mit dem Geld in der Tasche in Prag fein Essen gingen. Ich schämte mich fast, ihn wegen meiner paar Kröten bedrängt zu haben. Aber es war doch mein Geld, was ich verlangt hatte! Was waren das nur für Zeiten?

Jirka dagegen sitzt weder in Bautzen noch in Prag, sondern zu Hause. Ja, er zahlt mir in Abständen etwas zurück. Die vielen Euros centweise. Ich weiß nicht, ob ich so alt werde, bis der letzte Heller beglichen ist. Vermutlich nicht, denn mein Herz rast jedesmal, wenn ich ihn zu Hause gemütlich mit seiner Frau beim Kaffee vor dem Fernseher hocken sehe. „Was soll ich machen? Arbeit gibt es keine. Soll ich meine Frau auf die Straße schicken?“

Nein, das sollte er nicht. Überhaupt nicht und auch weil sie nicht ansehnlich genug ist. Und ich ahne, dass es weniger an der Mentalität, als an den Verhältnissen liegt. An denen, die mir früher dieses verdammte Mitleid einimpften. Vielleicht passt sogar das alte Wort „Solidarität“. Unser Pfarrer würde es sicher „Nächstenliebe“ nennen. Und an den heutigen Verhältnissen, die Karel und Jirka zu ewig armen Schuldnern machen. Deshalb sage ich zu meinem Sohn: „Borgen und die Verhältnisse  so lassen  wie sie sind bringt Sorgen.“

   


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Meldungen

der internationalen Gruppe Spurensucher


sonstige Nachrichten

100 Jahre Klettern am Großen Halben, Brandgebiet
3. und 4. Juni 2005 in Hohnstein/ Sachsen

Freitag, 3.6., 20 Uhr, Burg Hohnstein/ Sachsen
Vorträge: 
Kutschke: Geologische Besonderheiten
Schindler: Erschließungsgeschichte
Heinicke: Kletterführer
Bellmann: Gipfelbücher
Landes (Mü.): Sächsische Begegnungen
Schulze: Fotografie
       Sonnabend, 4.6.
Jubiläumsbesteigung Großer Halben

19 Uhr: Lesungen, Filme, Vorträge etc

 

 

 

 

 

Rote Bergsteiger zwischen Mythos und Wirklichkeit
Der Dresdner Forscher zur Geschichte des sächsischen Bergsports Joachim Schindler wird am Sonnabend 11. Juni 2005 im Rahmen des Wochenendtreffens der Spurensucher in Salmov (ČR) einen Vortrag über die legendären Roten Bergsteiger halten. Es geht J. Schindler keineswegs um die Nährung liebgewordener Mythen, sondern er wird sich bei seinem Vortrag auf den neuesten Forschungsstand stützen, zumal er selbst seit vielen Jahren auf diesem Feld forscht. Beginn voraussichtlich 18 Uhr. 

 

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siehe unsere Themenseite über
Willi Bredels Exil in Prag 1934


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