30. April 2009 
Paul R. Jamain
Kommunist - Widerstandskämpfer - Todesmarschhäftling


Bei einer Recherche im Internet stieß ich im Februar 2009 auf den uns bislang unbekannten Namen eines französischen Überlebenden der Todeskolonne Schwarzheide – Theresienstadt: Paul R. Jamain. Ich nahm zum Betreiber der Webseite Kontakt auf und erhielt einige Wochen später aus Frankreich ein im Selbstverlag von Paul R. Jamain gefertigtes Heft (1), worin der Autor in seiner Muttersprache über die Todeskolonne berichtet, über jenen Häftlingsmarsch im Jahr 1945 also, den die "Spurensucher" und deren Nachfolger, die Gruppe Grenzlos, dokumentiert haben.



Paul R. Jamain heute
Bildquelle: www.bddm.org

Paul Raymond Jamain, Fliesenleger vom Beruf, ist verheiratet und hat drei Söhne. Er wurde 1918 in Saint-Agnant (Charente Maritime), unweit der westfranzösischen Hafenstadt La Rochelle, geboren. Paul kommt aus einer politischen Familie, sein Vater war Gewerkschaftsaktivist, sein Onkel seit 1923 Mitglied in der Kommunistischen Partei Frankreichs. So wächst er mit seinen drei Brüdern und seiner Schwester in die politische Arbeit hinein. Mit 18 wird er Sekretär des kommunistischen Jugendverbands im Kreis Rochefort. Nach der Besetzung Nord- und Westfrankreichs durch die Hitlerwehrmacht beginnen die Jungkommunisten mit Widerstandsaktionen gegen das Besatzungsregime. Im Hafen von La Pallice, wo Paul 1942 arbeitet, sammelt er Informationen, die die Widerstandsgruppen für spätere Sabotageakte nutzen. Paul und seine GenossInnen organisieren 1942 Flugblattaktionen auf Wochenmärkten und auf der öffentlichen Feier in Rochefort zum 150. Jahrestag des Sieges von Valmy. Elf Beteiligte werden schließlich verhaftet und den deutschen Besatzungsbehörden übergeben.

Am 23. Januar 1943 wird Paul zusammen mit seinen beiden Brüdern René und André in das Konzentrationslager Sachsenhausen deportiert. Paul verbringt dort 34 Monate. Am 3. April 1945 wird er mit Häftlingen aus mehreren Ländern, unter ihnen auch sein Bruder André, im sogenannten „Heinkel-Kommando“ nach Schwarzheide verschickt, einem Außenlager von Sachsenhausen. Hier arbeiten sie neun Stunden täglich unter freiem Himmel und bekommen als Verpflegung eine Schüssel Steckrübensuppe. Am 18. April wird das Lager Schwarzheide evakuiert und alle 1000 Häftlinge auf einen Todesmarsch in Richtung „Sudetengau“ getrieben. Unterwegs ernähren sie sich von Löwenzahn und Kräutern. Völlig geschwächt kommt der „arische“ Teil der Kolonne, der in Warnsdorf von dem "nichtarischen" getrennt wird, in Langenau an (heute Skalice). Am 9. Mai fliehen die SS-Bewacher. Die Häftlinge sind frei. Aber noch in der Nacht vom 9. zum 10. Mai sterben 20 kranke und erschöpfte Kameraden.

Paul R. Jamains Familie hat einen schweren Tribut gezahlt im Kampf gegen den deutschen Faschismus: sechs seiner Angehörigen mussten ihr Leben lassen. Sein Bruder Gilles, sein Schwager Maurice Chupin und sein Onkel Alphonse Magnaux wurden 1943 als Widerstandskämpfer in Frankreich hingerichtet. Auch seine beiden anderen Brüder, René und André, überlebten den Krieg nicht. Sie starben in Sachsenhausen oder an den Folgen der KZ-Haft in Sachsenhausen. 

Heute lebt Paul R. Jamain in Châtellerault im Westen Frankreichs.
Text: René Senenko



Nach der Befreiung. Die Kameraden warten am Vormittag des 10. Mai 1945 am Bahnhof Skalice auf den Zug nach Prag. Im Bild Paul Jamain (in der hintersten Reihe der 5. von links) zusammen mit anderen überlebenden Franzosen: Alexandre DUMAS, Aristide POUILLOUX, Eugène VISSER, René DUPAU, Jean LYRAUD, André PRESENT und Albert NAULEAU.
Bildquelle: Sammlung Jamain

Paul R. Jamain
Anfang Juli 1945 nach zwei Monaten Sanatorium. Da wog er 52 Kg.
Bildquelle: Sammlung Jamain

 



1 Jamain, Paul Raymond: „Le convoi de la mort“. De Sachsenhausen à Skalice 4 Avril – 9 Mai 1945; o.O. 1995, 64 S., ill., erschienen zum 50. Jahr der Todeskolonne