10. Februar 2008
Ein
Puzzlestein zur Schwarzheider Todeskolonne
Wie der Maler Salomon zwei Naziverbrechen in Georgental
dokumentierte
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Ende
Januar 2008 übersandte uns der in Österreich lebende Herbert Hamann
(80 J.) einen Brief. Hamann wurde 1928 in St. Georgenthal (Jiřetín
pod Jedlovou) bei Varnsdorf geboren. Bei seiner Rückkehr aus dem 2.
Weltkrieg 1945 - er war knapp 17 Jahre alt - fand er im Atelier seines
Onkels, dem Maler Wenzel Salomon (1874-1953), ein Ölbild vor, das den
Schwarzheider Todesmarsch darstellte. Hamann beschreibt aus seiner
Erinnerung detailliert das authentische Bildnis von der Todeskolonne,
die auf dem Gemälde die Hauptstraße von St. Georgental durchzogen
habe. «Als
ich im Mai 1945, also kurz vor Kriegsende, vom Wehrdienst zurück kam,
besuchte ich gleich meinen Onkel und meine Tante. Als ich ins Atelier
ging, um zu sehen, was er gerade malte, sah ich ein schreckliches Bild,
und ich konnte es nicht fassen. Nur muss ich jetzt einfügen dass ich
damals mit meinen gerade 16 1/4 Jahren noch nicht wissen konnte, was
alles geschehen war und was ich heute weiß. Das Bild zeigte eine
Straße mit einer Karre, die zwei große Speichenräder hatte. Die Karre
wurde von Sträflingen in gestreifter Kleidung gezogen. Auf der Karre
lagen ebenso gekleidete Menschen übereinander. Sie mögen erschöpft
oder auch schon tot gewesen sein. Arme und Beine hingen über den
Seitenwänden herunter. Das Begleitpersonal waren Deutsche in Uniform.
Ich weiß aber nicht mehr, welcher Gattung sie angehörten. Das Bild
wurde (im Jahr 1945) auch im Ort, in einem Fenster ausgesellt. Dafür
gibt es noch Zeitzeugen.»
(Brief Hamann vom 28.1.08). Damit stellt das Werk Wenzel Salomons - so unsere Schlussfolgerung - das erste zeitnahe Bilddokument vom Schwarzheider Todesmarsch überhaupt dar. Leider hat Hamann trotz seiner Bemühungen später weder das Original noch eine Abbildung davon ausfindig machen können. Stattdessen gelang es Herbert Hamann im Vorjahr, in der Gedenkstätte Theresienstadt ein ähnliches Gemälde seines Onkels aufzuspüren. Eine Abbildung davon ist hier nachfolgend wiedergegeben. Es wurde 1987 der Gedenkstätte geschenkt und gehört nun zu deren Sammlungen. Das Bild stellt den Arbeitstransport von 13 weiblichen Gefangenen dar, die einen hoch mit Reisig aufgetürmten Schlitten ziehen und schieben und dabei von SS-Leuten brutal angetrieben werden. |
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Die
Kunstkuratorin J. Hochbergerová hat nach dem Erwerb des Bildes durch
die Gedenkstätte wertvolle Hintergrundinformationen zu diesem zweiten
Bild ermittelt und festgehalten: In St. Georgenthal gab es bis zur
Befreiung ein Außenlager des KZ Groß Rosen, wo 200 Französinnen,
Polinnen und Jüdinnen Zwangsarbeit leisteten. Sie waren in Warnsdorf in
einer Fabrik (heute "Elite") bei der Reparatur von Elektro-
und Flugzeugmotoren eingesetzt, desgleichen im Wald beim Holztransport.
Vor dem Ende des Krieges wurden die Häftlinge abtransportiert. Das mit
"DR 1945" bezeichnete Bild ist so realistisch, das sich eine
Einheimische auf dem Bild wiedererkannt haben will (hinter dem Schlitten
rechts). Herbert Hamann konkretisierte die Angaben zum Einsatzort der Häftlinge. Er schrieb uns, das genannte Reparaturwerk «kann nur die Fabrik in den 'Schindergruben' in der Bahnhofstraße nach Niedergrund gewesen sein. Die Fabrik (früher "Kunert") hieß während des Krieges "Sicht- und Zerlegewerk", und es wurde darin Kriegsschrott verwertet. Den Betriebsleiter kannte ich, denn er wohnte unter uns in der ehemaligen 'Friesewohnung' im Haus der Gemeindeverwaltung Nr. 32. (...) Mir brachte er manchmal elektronische Bauteile mit, die sonst niemand hatte, z.B. ein Peilmessinstrument aus einem Flugzeug mit zwei Messwerken und phosphoreszierenden Zeigern. Das war was!» |
Herbert Hamann sei für die Abbildungen und Informationen gedankt.
Ergänzung vom 27. Juni 2009:
Nachdem
uns die heute in Kanada lebende Ellen Bohr ihre Erinnerungen an die Todeskolonne
vom Winter 1945 geschickt hatte, die sie als 15-Jährige in Reichenberg
(Liberec) beobachtet hatte, und nachdem der Zschopauer Historiker Dr. Hans
Brenner im Juni 2009 die Frauenkolonne von Reichenberg mit jener identifiziert
hat, die der Maler Salomon als "Arbeitsgruppe von Frauen" zeitnah
verarbeitet hat (siehe Bild), ist der Marschweg der Frauen und Mädchen
vollständig rekonstruiert. Er begann in zwei Außenlagern des KZ Groß-Rosen
und führte innerhalb von drei Tagen über Reichenberg nach St. Georgenthal. Dr.
Brenners präzise Mitteilungen hierzu können auf unserer Webseite über Ellen
Bohrs Erinnerungen nachgelesen werden.
Text: René Senenko