Sächsische Zeitung, Ausgabe Sebnitz, 30. März 2007
Die Gedenkstele bleibt
Von Lars Kühl
Hohnstein. Der Stadtrat diskutiert heftig über den Standort und den Text der
Informationstafel.
Die Informationsstele an der Gedenkstätte auf dem
Markt bleibt stehen. Das beschlossen die Stadträte auf ihrer Sitzung am
Mittwoch. Das Ergebnis von neun zu fünf Stimmen spiegelt die Verteilung der
Sitze im Hohnsteiner Stadtrat wider. Hauptstreitpunkt war, dass sowohl das
Schutzhaftlager unter der Herrschaft der Nationalsozialisten als auch das
geplante Isolierungslager unter dem DDR-Regime auf einer Tafel erwähnt werden.
Als der von der UWU-Fraktion (Unabhängige Wählervereinigung Ulbersdorf)
gestellte Antrag auf Entfernung der Gedenktafel behandelt wurde, nahm die bis
dahin harmonische Veranstaltung Fahrt auf. Heftig kritisierte Rainer Schulze (UWU)
sofort Bürgermeister Wolfram Lasch (CDU) für das nach seiner Meinung eigenmächtige
Vorgehen bei der Errichtung: „Die Stele darf so nicht stehen bleiben.“ Lasch
wies darauf hin, dass die Aufstellung sowohl mit dem Landratsamt als auch mit
der Burg Hohnstein abgesprochen wurde.
Er erhielt Unterstützung von Lothar Baer (CDU). Der erklärte, dass der
Hohnsteiner Ortschaftsrat und der Verwaltungsausschuss in seiner Sitzung am
17.Januar der Aufstellung und der Formulierung des Textes bereits zugestimmt
haben. Schulze bezeichnete zudem den Informationstext auf der Stele zum
wiederholten Mal als geschichtsverfälschend. Die Verbrechen zu NS-Zeiten könne
man nicht mit denen zu DDR-Zeiten vergleichen. Also dürfe man sie auch nicht
auf einer Tafel aufführen. Dem Betrachter würde damit eine Gleichsetzung
suggeriert.
Neuer Vorschlag unterbreitet
Dem widersprach Lasch noch einmal in aller Deutlichkeit. Ortsvorsteher Frank
Eichler kämpfte um seine Fassung. „Auf gar keinen Fall ist der Text auf der
Stele geschichtsverfälschend“, sagte er und wies auf seine traumatischen
Erfahrungen mit der Stasi hin. Eichler bezeichnete das Bekenntnis des Bürgermeisters
zur Stele als mutig.
Obwohl sich auch Bernhard Steinert (CDU) für den Verbleib der Gedenkstele
aussprach, unterbreitete er einen neuen Vorschlag: Die Textpassagen über die
NS- und die SED-Diktatur sollten deutlicher getrennt und auf zwei
unterschiedlichen Tafeln angebracht werden. Dabei stieß er bei Thomas Gustke (UWU)
auf offene Ohren. Bei der Abstimmung über den Antrag entschied sich aber eine
knappe Mehrheit gegen eine Trennung der Tafel.
Bernd Brückner (UWU) sprach aus, was viele Hohnsteiner denken. „Es muss
irgendwann mal Schluss mit der Diskussion sein.“ Die Stele sei beschlossen,
also muss sie auch stehen bleiben.
Roland Döring (PDS) lenkte die Diskussion noch auf einen weiteren Aspekt: Den
Stadträten lag eine Sitzungsmappe mit Briefen zum Thema Stele vor. Diese
stellen die Sachlage nach Dörings Meinung aber zu einseitig dar. „Herr Bürgermeister,
haben Sie Briefe mit der Bitte um Weiterleitung an den Stadtrat
unterschlagen?“ Döring nannte dann auch ihm bekannte Absender wie den Bund
der Antifaschisten.
Die Frage blieb am Mittwoch offen. Lasch bestätigte aber gestern, dass alle
Absender eine persönliche Antwort bekommen haben und kein Schreiben
unterschlagen wurde. Er wundere sich sehr über die Anfrage von Döring und
vermutet ein organisiertes Vorgehen.
Anmerkung der Gruppe Grenzlos: Ein Bild der Stele haben wir auf unserer Webseite
vom 9. Februar 2007 veröffentlicht
Kommentar zum SZ-Artikel vom 30.3.07
Wie wir von Roland Döring - einziger Ratsherr der Linkspartei in Hohnstein -
erfuhren, war bereits im November 2006 die Stele für die OdF-Gedenkstätte
fertig gestellt. Mit ihrer Aufstellung Ende Januar wurden nicht nur die
Öffentlichkeit, sondern auch die Ratsmitglieder Hohnsteins vor vollendete
Tatsachen gestellt. Ohne dem Drängen von Roland Döring wäre das Thema
nun nicht wieder auf die Tagesordnung gelangt. Die ganze Verfahrensweise
offenbart nicht nur das Demokratieverständnis der Akteure, sondern auch deren
miserables Gewissen. Warum sonst haben sie die Stele nicht im Rat zur Diskussion
gestellt und darüber abstimmen lassen?
René Senenko